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fliehen kann. In einer QuerstraÃe reihen sie sich in einen gröÃeren Zug von Demonstranten, der auf die RevolutionsstraÃe zusteuert.
Als er zum zweiten Mal durch eine Tür flieht, die sich unverhofft öffnet, meint der Berichterstatter bereits, genug gesehen zu haben: einen Zivilgekleideten, der im Vorübergehen einem Mann mit voller Wucht auf den Nacken knüppelt, den Mann, der sich auf dem Boden krümmt und brüllt, seine Freunde, die ihn weinend wegziehen. Ein Auto, das an einer Kreuzung stehenbleibt, weil dort Steine fliegen; ein Milizionär brüllt den Fahrer an weiterzufahren. Der Fahrer, erkennbar verwirrt, signalisiert mit den Händen, daà er nicht weiÃ, in welche Richtung, schon zertrümmert der Knüppel die Scheibe des Fahrersitzes. Blutüberströmte Gesichter, Barrikaden aus brennenden Mülltonnen, eine Frau mittleren Alters, ob Anwohnerin oder Regimegegnerin, die kreischend, zitternd, heulend auf dem Bürgersteig steht, während vor und zurück alle Menschen an ihr vorbeisprinten. Immer wieder öffnen sich die Türen der Anwohner und die Gitter der Läden für Flüchtende, obwohl das Viertel keineswegs bürgerlich ist, ziemlich weit im Süden der Stadt. Es sind zu viele Demonstranten, die sich auf zu viele StraÃen verteilen und immer wieder neu formieren, als daà die Sicherheitskräfte die Lage unter Kontrolle bringen können, zumal die Gegenwehr immer wütender wird. Die jungen Männer werfen Steine, wo sie welche finden, springen auf fahrende Motorräder und setzen sie in Brand, ebenso einen Omnibus der Freiwilligenmiliz. Viele der Polizisten wollen sich erkennbar heraushalten, kümmern sich hier und dort um verletzte Demonstranten, raten anderen, in welcher Richtung Flucht am ehesten möglich ist. Die Milizen sind oft überfordert und wissen nicht, wie sie auf eine Ãberzahl von Demonstranten reagieren sollen, während die Antikrawallkommandos den Protest am effektivsten ersticken. Brutaler sind nur die Zivilgekleideten, die sich gezielt auf einzelne Demonstranten stürzen. Wie die meisten Demonstranten, Passanten, Autofahrer irrt der Berichterstatter zwischen den Fronten umher, die sich ständig verschieben. Längst will er sich nur noch in Sicherheit bringen, als sich zum dritten Mal eine Tür im letzten Moment öffnet, ein Rollgitter diesmal, um genau zu sein, das Rollgitter eines schmalen Sanitärgeschäfts in einer sechsspurigen StraÃe, auf der eine Einheit der Freiwilligenmiliz heranrückt, etwa hundert Mann mit Helmen, Schildern, Knüppeln und Schutzwesten über der Zivilkleidung. Der Sanitärhändler, ein kleiner, leicht gebückter Mann mit grauen Haaren und weiÃem Schnurrbart, zieht das Gitter hinter vier Menschen herab, die sich nicht kennen, drei Männer und eine Frau unterschiedlichen Alters. Hektisch stellen sie sich einander vor, obwohl keine Eile ist, da sie für unbestimmte Zeit ein paar Quadratmeter teilen wie einen Aufzug, der steckengeblieben ist, einer Ingenieur, der andere Student, sie Lehrerin, der vierte eigentlich nur Berichterstatter. Aus dem Ausland? fragt die Lehrerin, als sei das allein schon eine gute Nachricht. â Wir müssen uns verstecken! ruft der Ingenieur: Wenn die Miliz uns entdeckt, wird sie den Laden anzünden. Aber die Miliz erreicht den Laden nicht. Viele der Demonstranten haben sich umgedreht und bewerfen die Milizionäre mit Steinen. Wieder werden Müllcontainer auf die StraÃe gerollt und angezündet. Auch aus anderen Richtungen fliegen Steine, keine zwei Meter von ihnen entfernt beteiligen sich zwei ältere, glattrasierte Herren am Kampf, auf der anderen StraÃenseite Frauen. Manche der Milizionäre wollen weiter vorrücken und werfen ihrerseits mit Steinen, andere weichen zurück. Durch das Rollgitter sieht der Berichterstatter, daà die Milizionäre untereinander diskutieren, er sieht den Anführer schreien, als plötzlich die Demonstranten »Gott ist gröÃer!« rufen und nach vorne stürmen. Der Jubel, der ausbricht, weil die Freiwilligenmiliz davonrennt, währt keine fünf Minuten, dann rückt schon ein Antikrawallkommando an. Der Sanitärhändler schlieÃt die Glastür und nimmt den Ingenieur, den Studenten, die Lehrerin und den Berichterstatter mit in sein Lager. Von dort aus hören sie Schüsse, Schreie, Sirenen. Weitere fünf Minuten später ist es wie auf
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