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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Sie großgeschrieben, oder, genauer: Er denkt an Sie nicht als eine allgemeine Leserschaft, vielmehr als einen Freund, als eine Mutter, als eine Frau, als einen Unbekannten, den oder die er nicht abzulenken oder mit kleinen Dosen vergnügen muß, wenn sie ihm schon die Zeit vertreiben; er denkt an den Leser als ein Du. – Und warum soll der Leser sich ausgerechnet für den Roman interessieren, den du schreibst, wenn er oder sie nicht dein Freund, deine Mutter oder deine Frau ist? würde der berühmte Schriftsteller jetzt vielleicht fragen. – Ich weiß es nicht, würde der jüngere Kollege antworten, es wundert mich ja auch – ich habe wirklich nicht daran geglaubt und kann mir die Spannung, wenn es denn tatsächlich eine gibt – aber es muß die Spannung ja geben, sonst würde daraus kein Buch mit Umschlag und allem –, ich kann es mir nur so erklären, daß in dem Roman, den ich schreibe, jedes Du zum sie werden könnte, sie kleingeschrieben und Plural – jedes Du Teil eines sie bleibt, nicht nur weil’s einem Himmel beliebt. »Ich sehe, während ich schreibe, daß ich Dir bei diesem Buche gar nicht hätte helfen können«, fährt der berühmte Schriftsteller fort, »und bin sicher, daß Du auch keinem möglichen Rat gefolgt wärst. Du mußt schließlich bei diesem Buch Deiner inneren Stimme folgen – es wird ein …«, nein, nicht weiter. Hier bricht der jüngere Kollege das Zitat ab, für dessen Vorfahren Scham durchaus kein Zeichen von Verklemmtheit war, sondern eine menschenfreundliche Eigenschaft und das Beschweigen auch Takt und Diskretion.
    Noch ein Autokauf, mag er ebensowenig zur Sache tun, er ist nur so lustig, deshalb unter allen Geschichten der Ehe in Isfahan hoch und heilig nur noch diese, bevor Großvater auf Seite 175 doch wieder auftritt: »Vom Scheitel bis zur Sohle vor Freude flimmernd«, wie die Mutter schreiben wird, fordert der Vater sie auf, mit vors Tor zu kommen. Alsbald heißt es wieder, wem gehört der Wagen?, dir!, mir?, dir! ›hör doch mal auf damit und sag’s endlich‹ wie oft soll ich’s noch sagen?, ein rotblitzendes Cabriolet diesmal, das nun wirklich aus Hollywood vorgefahren zu sein scheint. Die Mutter hält das Auto im ersten Augenblick für ein Schiff, acht Meter lang, wie der Vater stolz verkündet, aber nur zwei Sitze für eine vierköpfige Familie, wie der Mutter sofort auffällt, das kann sie unmöglich glauben, wie soll das gehen?, und schimpft los, daß das Haus noch lange nicht abbezahlt und die gesamte Einrichtung auf Pump sei, die Möbel, die Teppiche, sogar das Kinderbett geliehen, und da komme der Vater auch noch mit einem roten Schiff angerauscht, acht Meter lang und zweisitzig? – Es wird schon, so Gott will. Diesmal weigert sich die Mutter einzusteigen, so wütend ist sie auf den Großkotz von Gatten, der vom Scheitel bis zur Sohle flimmert, aber im Schädel kein Fünkchen Vernunft hat. Am späten Abend hört sie, daß das Eisentor scheppernd aufgeht und das Cabriolet in den Hof fährt, ein ums andere Mal vor und zurück, Drehung nach links, Drehung nach rechts, der Vater angestrengt hinterm Steuer, wie die Mutter von der Terrasse aus beobachtet. Gleich wie er es dreht, hängt das Heck zur Gasse hinaus. Nicht einmal längs hat der Hof die Länge von acht Metern, und längs steht das Wasserbecken im Weg. Der Vater muß zurücksetzen, was mühsam genug ist, und das Cabriolet auf der Gasse parken, nur hat es kein Dach. – Wie, fragt die Mutter, es hat kein Dach? – Es hat eben kein Dach. – Es muß doch ein Dach haben! – Nein, ein Dach war nicht dabei. – Und jetzt? Aus Sorge, jemand könne das Cabriolet stehlen, den Lack zerkratzen oder sich nur aus Spaß hinters Steuer setzen, verbringt der Vater die Nacht auf einem der beiden Sitze. – Fürs Parken laß ich mir noch etwas einfallen, grummelt er beim Frühstück: Es wird schon, so Gott will. Gegen Abend hört die Mutter, daß das Eisentor scheppernd aufgeht, und tritt auf die Terrasse. – Was hast du mit dem Schiff gemacht? fragt die Mutter, als der Vater aus dem Landrover ausgestiegen ist. – Wieder verkauft, antwortet der Vater: Auf dem Weg zum Krankenhaus sah ich den Chef der Gesundheitsbehörde, der zu Fuß unterwegs war, und wollte ihn mitnehmen. Da habe ich mich geschämt,

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