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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Frau auf dem Sofa seine Mails, nahm sie in den Arm. Alles war in Ordnung, nichts war in Ordnung. Auf dem Umschlag sind neben Photos auch Kritiken des Konzerts abgedruckt. »Its considerable force, however, was dimmed the moment Neil Young picked up his electric guitar to join Crazy Horse , a hard rock-country quartet (two guitars, bass and drums). The rest of his tunes are not so interesting harmonically. The lyrics for instance sound uncomfortably like Bob Dylan’s work.« Der Lokalkritiker, wie der Handlungsreisende selbst einer war, hätte sich auch nicht vorstellen können, ein Vierteljahrhundert später nochmals ans Licht gezerrt zu werden. Dabei wird es Neil Young gar nicht hämisch gemeint haben. Gegen »not so interesting harmonically« läßt sich In Frieden nicht viel einwenden. Am nächsten Morgen erschrak er über seine Rede vorm Präsidenten und deren augenzwinkender Pointe, so deutsch wie Kafka zu sein. Er wird die literargeschichtliche Ahnenhuberei bis auf Haffner eindampfen, mit dem keiner rechnet, und statt dessen die Situation am Besprechungstisch des Befehlshabers schildern, mehr ist es ist ja nicht. Zwei Zitate aus den Briefen an Milena rettet er aus der Rede in den Roman hinüber, den ich schreibe, das lustige jetzt, das traurige zum Schluß dieses Absatzes: »Manchmal verstehe ich nicht wie die Menschen den Begriff ›Lustigkeit‹ gefunden haben, wahrscheinlich hat man ihn als Gegensatz der Traurigkeit nur errechnet.« Der Handlungsreisende ist keineswegs sicher, daß es die Eindrücke aus Afghanistan sind, die ihn bedrücken. Er denkt jedenfalls nicht ständig daran. Vielleicht liefert Afghanistan nur die bestmögliche Entschuldigung, schlechtgelaunt zu sein. Als er heute abend eine halbe Stunde auf die Tochter warten mußte, trat er vor Ungeduld gegen den Laternenpfahl, so kurz hat seine Militarisierung angehalten. Mit der Tochter stritt er, weil sie unhöflich zu seinen Eltern war. Sie wollte Papa, sagte sie, nicht Opa und Oma. Als Vater kann er das nachvollziehen, aber nicht gutheißen. Die Eltern erschraken mehr als üblich über seine Erschöpfung und seine eigene Schroffheit. Als Sohn sieht er es so, daß sich sein Vertrauen manifestierte, indem er sich wenigstens bei ihnen nicht verstellt. Freitag muß er schon wieder fort, ein Freund feiert im Berlin seinen vierzigsten, am Samstag in Köln ein anderer seinen fünfzigsten Geburtstag. Er selbst möchte auch nicht, daß die Freunde sich erst zur Beerdigung versammeln. Montag muß er zurück nach Berlin, um muslimisch den Holocaust zu verurteilen. Wenn er oft genug Islamischer Faschismus sagt, wird das Honorar beim nächsten Mal verdoppelt, schließlich gibt es keine bessere Pille als den Antisemitismus der Muslime, um die deutsche Schuld zu sekretieren. Israel Nazimethoden vorzuwerfen wird nicht mehr gern verschrieben: zu viele Nebenwirkungen. Der Bericht für die Zeitung ist im Grunde auch ein Abführmittel. Danach geht sein Leben endlich weiter ohne Afghanistan, gleich wie das Leben weitergeht in Afghanistan. »Dir wird ängstlich beim Gedanken an den Tod? Ich habe nur entsetzliche Angst vor Schmerzen. Das ist ein schlechtes Zeichen. Den Tod wollen, die Schmerzen aber nicht, das ist ein schlechtes Zeichen. Sonst aber kann man den Tod wagen. Man ist eben als biblische Taube ausgeschickt worden, hat nichts Grünes gefunden und schlüpft nun wieder in die dunkle Arche.«
    Rotgewandete Beamte mit imposanten Säbeln laufen aufgeregt durchs Viertel des Koranlehrers Mirza Mohammad, im Schlepptau Diener mit Wasserkanistern, Schrubbern und Besen. In vier Tagen, verkünden die Beamten den Anliegern, wird Seine Majestät Prinz Zell-e Soltan durch die Straßen ziehen, ja, durch ebendiese Gasse, in der Großvater sich täglich vor der Bastonade fürchtet. Ich habe Photos des Prinzen gesehen, ein feister Mann mit buschigem Schnurrbart und okzidentaler Phantasieuniform, auf dem Kopf ein Kosakenhut, mitleidlos der Blick. Die schönsten Wohnhäuser, Moscheen, Brücken und Paläste der Safawiden hat er geplündert und verwüstet, um mit dem Gold, dem Marmor und dem Alabaster, den Edelsteinen, Spiegeln, Möbeln, Leuchtern, Kunstwerken, Intarsien und natürlich den Teppichen Geld zu beschaffen für seine Armee. Sein Ziel war der Thron in Teheran, um den er sich betrogen wähnte. Als dessen ältester Sohn hielt er sich

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