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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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war schön, vielen Dank. Den Freunden ist es egal, die sind da, fragen nichts und erwarten noch weniger. Auf beiden Geburtstagen waren die engen Freunde die Stillsten. Für sie ist es eine Pflichtveranstaltung, kein Spaß. Die übrigen hingegen legen Maßstäbe an, so daß man einer unter vielen Jubilaren ist und nicht mehr der Einzigartige, für den man sich berechtigterweise für einen Tag fühlen möchte. Manchen Gästen war der Anlaß so gleichgültig wie den Bedienungen, für die Geburtstagsfeiern so alltäglich sind wie Beerdigungen für Totengräber. Wie ein durchgeknallter Weltgeist drückt der Handlungsreisende alle zwei bis zwanzig Sekunden auf einen Knopf, worauf wieder ein neues Reich aufsteigt. So peinlich es ihm war, den Tod selbst bei Geburtstagen zu riechen, saß er auf dem Vierzigsten neben einem Bühnenbildner, der nach Wochen aus der Krebsklinik entlassen worden war, und traf eine Schauspielerin, die kurz zuvor ihr erstes Kind im fünften Monat tot auf die Welt bringen mußte. Der Intendant, mit dem er sich auf den Fünfzigsten zum Gespräch verabredet, simste aus dem Zug nach Freiburg, wo sein Vater am Nachmittag einen Herzinfarkt erlitten hatte. Wie üblich vor einem Fernseher, kann sich der Handlungsreisende nicht zur Lektüre entschließen. Die Reportage aus einem irakischen Krankenhaus, die immer gleichen Gesichter von Überlebenden und solchen, deren Kinder, Gatten, Eltern nicht überlebt haben, mußte er wegdrücken, so abgestumpft er eigentlich ist. Die Nitsch-Ausstellung mit den üblichen Blutlachen für ein Kunstpublikum, die ihn sonst wahrscheinlich kaltgelassen hätte, erschien ihm danach kriminell in ihrer Obszönität. Verbieten, verbieten! würde er am liebsten aus dem Fenster schreien oder gleich eine Bombe in den Fernseher werfen, warum eigentlich kein Selbstmordattentat, dann ist er sich wenigstens los. Den Freund aus Haifa sah er auf der Holocaust-Konferenz zum ersten Mal seit dem Streit über den Libanonartikel wieder. Gerade weil sie sich versöhnen wollten, stellte sich heraus, daß sie sich nichts zu sagen hatten, was kein neues Widerwort beschworen hätte. Die zehn Minuten, die er mit der Reporterin des Nachrichtenmagazins über deren sterbende Mutter sprach, binden enger als die unzähligen Stunden und Mails, die er mit dem Freund aus Haifa über Politik diskutierte. Dabei ist er überzeugt, daß er auch mit ihm eine solche Verbindung haben könnte; etwas zwischen ihnen war von vornherein größer als Judentum und Islam. Es ist nur noch nie jemand gestorben oder geboren oder hat sonst etwas getan, den Judentum und Islam miteinander geteilt hätten. Weil Masturbation nicht müde macht, nutzt er die Gelegenheit, drahtlos mit dem Internet verbunden zu sein, um mehr über Zell-e Soltan zu erfahren, der am nächsten Tag an Mullah Mirza Mohammads offener Tür vorbeiritt. Der Handlungsreisende findet nur einige Photos, die er schon kannte, ein Siebenzeiler in der englischsprachigen Wikipedia, darunter die Mitteilung, daß der Eintrag ein »Stummel« sei ( stub ) und er helfen könne, ihn zu erweitern. Im Unterschied zum Volksmund schreibt ihm der Stummel lediglich vierzehn Söhne und elf Töchter zu. Aus einem naturkundlichen Buch über die Tierwelt Irans, das drahtlos zu lesen ist, geht hervor, daß auch Zell-e Soltan eine Selberlebensbeschreibung verfaßte. »Sie gibt«, so bemerkt der Naturkundler, »den besten erzählerischen Überblick über den Zustand der natürlichen Umwelt und der Wildtiere in den vielen Provinzen, in denen er gejagt hat.« Die Berge im Westen Isfahans zum Beispiel waren damals noch nicht kahl, sondern voller Wälder, und die wilden Schafe, Steinböcke, Rebhühner, Schneerebhühner, Keiler und Bären dort so zahlreich, daß es langweilig wurde, auf sie zu schießen. Zell-e Soltan und die dreitausend Mann, die ihn begleiteten, konzentrierten sich daher auf die Löwen. Der Naturkundler zitiert, was Zell-e Soltan über den Fluß Qara Aratsch schrieb, den der Enkel auf dem Satellitenbild findet: »Hier gibt es mehr Tauben als Ameisen oder Heuschrecken, Millionen von ihnen, und wenn sie fliegen, sehen sie aus wie eine Wolke, die so groß ist, daß sie sogar die Sonne verdeckt.« So viel Taubenfleisch aßen seine Männer, daß ihnen schließlich schon der Geruch widerlich wurde. Die

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