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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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konzentrierter Miene behutsam in gleichmäßige Dreiecke zerteilte und mit Salzbutter bestrich. Wie sehr hatte sie all diese einfachen Dinge vermisst.
    Sie hatte gerade bezahlt und ihre Waren eingepackt, als eine große, schlanke Frau in einem halblangen grauen Daunenmantel den Laden betrat, deren ganze Haltung eine so natürliche, fast aristokratische Eleganz ausstrahlte, dass sie unwillkürlich die Blicke auf sich zog.
    »Maybrit!«, entfuhr es Caroline.
    Maybrit Svensson wandte sich zu ihr um. Sie waren sich seit Carolines Ankunft noch nicht begegnet, und in den herben Zügen der Frau spiegelte sich Überraschung, die jedoch augenblicklich von einem anderen Ausdruck abgelöst wurde, den Caroline nicht deuten konnte.
    »Caroline«, erwiderte Maybrit schließlich, und die Art, wie sie ihren Namen betonte, kam eher einer Feststellung als einer Begrüßung gleich. »Es ist lange her.« Es lag weder Wärme noch Freude in ihrer Stimme.
    »Achtundzwanzig Jahre«, antwortete Caroline.
    Maybrit musterte sie. »Achtundzwanzig Jahre. In der Tat eine lange Zeit.«
    Caroline versuchte, Maybrits ablehnende Haltung zu verstehen. Die dunkelhaarige Frau hatte es einem nie leichtgemacht, schon früher nicht. Dennoch waren sie in ihrer Gegensätzlichkeit Freundinnen gewesen, die einander angezogen hatten wie die unterschiedlichen Pole eines Magneten.
    »Wie geht es dir?«, fragte Caroline deshalb, ohne sich ihre Enttäuschung anmerken zu lassen. Nach all der Herzlichkeit, die sie seit ihrer Rückkehr erfahren hatte, war diese Begegnung wie eine kalte Dusche.
    »Gut, danke.« Maybrits Blick streifte Carolines Einkaufstaschen. »Bleibst du länger?«
    »Voraussichtlich«, bestätigte Caroline. »Ich wohne im Haus meiner Familie. Vielleicht hast du Lust …«
    »Ich bin viel unterwegs«, fiel Maybrit ihr brüsk ins Wort. Sie wollte sich mit einem kurzen abschließenden Nicken verabschieden, doch Caroline hielt sie zurück. »Maybrit, warte …« Sie konnte ihre ehemalige Freundin nicht einfach gehen lassen. »Sag mir«, stieß sie hastig hervor, bevor sie es sich anders überlegen konnte. »Wie geht es …«, sie schluckte, »wie geht es … Ulf?« Ihre Stimme bebte ungewollt.
    »Ulf?«, wiederholte Maybrit überrascht und zog eine Braue hoch.
    Caroline zwang sich zur Ruhe. Fast drei Jahrzehnte waren vergangen. Ihre Aufregung war lächerlich. Völlig irrational. »Ja, du weißt doch bestimmt, was er macht. Schließlich ist er dein Cousin«, fügte sie, um Beherrschung bemüht, hinzu.
    »Ja, natürlich weiß ich das«, gab Maybrit kühl zurück. »Er ist hier.«

    Caroline wusste später weder, ob sie sich von Maybrit verabschiedet hatte, noch wie sie zu ihrem Auto gekommen war. Sie kam erst wieder zu sich, als sie am Ufer des Sees stand, unterhalb ihres Hauses. Sie grub die Finger in den Schnee auf dem Bootssteg und drückte sich das kalte Weiß auf die glühenden Wangen, sog die eisige Luft so tief in ihre Lungen, dass es schmerzte. Die Kälte und die absolute Stille brachten sie schließlich zur Besinnung, doch Maybrits Worte hallten ihr wie ein sich ständig wiederholendes Echo in den Ohren: Er ist hier … hier … hier …
    Wie hatte sie so naiv sein und so blind in ihre Vergangenheit abtauchen können? Was hatte sie erwartet? Natürlich hatte niemand, selbst Björn nicht, ihr gegenüber die Svenssons erwähnt, aber deswegen waren sie nicht weniger präsent. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, wann sie sich begegnen würden.
    Ihr Blick schweifte zur anderen Seite des Sees hinüber. Der Wald, der sich dort den Berghang hinaufzog, gehörte der Familie Svensson – einer von vielen. Zahlreiche ausgedehnte Ländereien waren in ihrem Besitz, und sie hatten ein kleines Vermögen mit ihrer sorgfältigen Bewirtschaftung verdient in einer Zeit, in der sich viele andere Landbesitzer von den großen Papierkonzernen übers Ohr hauen ließen. Die Svenssons waren eine der ältesten eingesessenen Familien im Tal, früher hatte es geheißen, dass sie ihre Ahnenfolge bis auf Härjulf Hornbrytare zurückführen konnten, jenen Wikinger, der sich die Region einst zu eigen gemacht und sowohl gegen die Schweden als auch die Norweger verteidigt hatte. Noch heute trug sie seinen Namen – Härjedalen, Härjulfs Tal. Caroline hatte die Geschichte nie geglaubt, zu viele beriefen sich auf ihre Verwandtschaft mit Härjulf, doch die Familie Svensson hatte einen besonderen Status in der Region. Maybrits und Ulfs Väter waren Brüder, großgewachsene

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