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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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müsste sterben«, fuhr sie dann fort und kehrte ihm wieder den Rücken zu, um sich um die Eier in der großen Pfanne zu kümmern. »Sie war ein großes, kräftiges Baby, obwohl ich während der Schwangerschaft kaum gegessen habe.«
    »Wo wart ihr?« Drei Worte nur, aber sie fielen schwer.
    »Norwegen. Der Mann, der mich aufgenommen hatte, hieß Thore. Er war Fischer.« Sie nahm zwei Teller aus dem Schrank. »Er war ein guter Mann. Das Einzige, was er mich je gefragt hat, war, wie sie heißen sollte.«
    Sie stellte die Teller mit den Rühreiern und dem Speck auf den Tisch, ebenso wie das Brot, das sie geschnitten hatte. Ulf lauschte schweigend, als sie von jenem dunklen, kalten Winter in Norwegen erzählte, von der Einsamkeit und der Stille und der Weite des Meeres, und er fragte sich, ob es Scham gewesen war, die sie davon abgehalten hatte, mit ihrer Tochter nach Schweden zurückzukehren. »Bist du deshalb nicht zurückgekommen, weil du mit einem anderen Mann gelebt hast?«, fragte er, nachdem sie geendet hatte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Das war es nicht.«
    Was war es dann?, war er versucht zu fragen. Sag es mir endlich. Aber er bremste seine Ungeduld. »Du bist niemals mit ihr … mit Lianne …«, es fiel ihm schwer, ihren Namen auszusprechen, »ihr seid niemals zusammen hier ins Tal gekommen, oder?«
    »Nein, ich bin niemals mit ihr hier gewesen.«
    »Aber was hast du ihr gesagt, wenn sie nach ihrem Vater gefragt hat?«
    Caroline ließ ihr Besteck sinken und sah ihn an. »Sie hatte ein Foto von dir.«
    »Ein Foto? Von mir?«
    Sie nickte.
    »Wollte sie mich denn nie sehen oder kennenlernen?«
    »Ich habe sie in dem Glauben gelassen, du wärst tot.«
    Ihre Worte fielen wie Steine auf ihn herab. Wie Felsbrocken. Er starrte sie einfach nur fassungslos an, dann stand er auf und trat ans Fenster. Es war nichts zu sehen dort draußen. Die Welt war verschwunden hinter einer Wand aus Schnee, die sie isolierte und auf sich selbst zurückwarf. Da war nur sein Spiegelbild im Glas, unscharf und verschwommen. Es ließ keine Rückschlüsse zu über den Tumult, den ihr Geständnis in ihm auslöste. Was war es? Wut? Trauer? Enttäuschung? Er wusste es selbst nicht. Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, rang um Beherrschung. Der Sturm heulte weiter ums Haus, riss am Dach und an den Fensterläden. Und über dem Sturm ihre Stimme: »Wenn Lianne nicht gestorben wäre, wäre ich nicht hier, wir hätten uns nicht getroffen und du hättest nie von ihrer Existenz erfahren.«
    Es dauerte einen Moment, bis er den Sinn ihrer Worte erfasste. War es so? Wären sie sich nie begegnet, oder hätte der Zufall sie an anderer Stelle zu anderer Zeit zusammengeführt? Ihm wurde mit einem Mal klar, dass er jeder anderen Frau, mit der er eine Affäre gehabt hatte, diesen kompromisslosen Alleingang verziehen hätte, denn keine von ihnen hatte er wirklich geliebt. Mit keiner von ihnen hätte er sein Leben verbringen wollen. Aber mit Caroline hatte er genau das geplant. Als er sich jetzt zu ihr umdrehte, begegneten sich ihre Blicke, und er spürte ihre Nervosität hinter der mühsam aufrechterhaltenen Fassade von Gelassenheit. »Vielleicht hast du recht«, sagte er deshalb mit erzwungener Ruhe. »Vielleicht wären wir uns nie begegnet.«
    Die Kerze flackerte auf dem Tisch und warf unruhige Schatten über Carolines Gesicht. Sie fuhr mit dem Finger über die mit den Jahren dunkel gewordene Tischplatte. »Ich habe gestern mit meiner Tante telefoniert. Andra – erinnerst du dich an sie?«
    Er erinnerte sich gut an die kleine, zierliche Frau.
    »Sie hat mich angerufen, weil sie einen schrecklichen Alptraum hatte, der sie nicht losgelassen hat, und wollte sich versichern, dass es mir gutgeht«, fuhr Caroline fort.
    »Und?«
    »Sie hat von uns beiden geträumt, dir und mir. Dabei weiß sie gar nicht, dass du hier bist.« Caroline räusperte sich unbehaglich. »Und jetzt sind wir hier … abgeschnitten von allem, gezwungen, uns mit unserer unbewältigten Vergangenheit auseinanderzusetzen …« Sie sah ihn unsicher an.
    Er ignorierte den Moment der Beklemmung, den ihre Worte gegen seinen Willen in ihm auslösten. »Lilli, du wirst nicht den Alpträumen einer alten Frau, selbst wenn sie dir noch so nahesteht, Bedeutung für dein Leben beimessen? Das ist Unsinn.«
    Sie presste die Lippen zusammen.
    Er stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und lehnte sich zu ihr hinüber. »Glaubst du wirklich, dass es irgendetwas außer dem Zufall

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