Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)
Tage ohne Strom in diesem Haus verbracht, und es waren vor allem die Dunkelheit und die Kälte, die sie in Erinnerung behalten hatte. Sie hatten in Decken gehüllt im Wohnzimmer gesessen, vor dem Kamin, den ihr Vater ständig mit neuem Holz gefüttert hatte. Ihre Mutter hatte einen alten Edelstahltopf in die Glut gestellt, um Wasser zu erwärmen und Tee zu kochen, und zunächst war es wie ein Spiel gewesen, doch dann hatte sie die unterschwellige Sorge der Eltern gespürt, ihre angespannten Blicke und ihr nervöses Flüstern, wenn sie glaubten, Caroline schliefe. Die Angst, die das damals in ihr ausgelöst hatte, hatte sie noch lange verfolgt.
Jetzt war es Ulf, der vor dem Kamin hockte und das Feuer zum Lodern brachte, während sie Kerzen an die Fenster stellte, wo sie durch den Widerschein im Glas das meiste Licht verbreiteten. »Wir müssen raus und neues Holz holen, damit uns heute Nacht das Feuer nicht ausgeht«, sagte er, ohne aufzusehen.
»Wie spät ist es?«, wollte sie wissen.
»Gleich halb elf.«
Caroline seufzte, als eine neue Windböe das Haus erzittern ließ. Der Sturm tobte seit fast vierundzwanzig Stunden ohne Unterbrechung. Wie lange würden sie hier noch eingeschlossen sein? Der Hund reckte sich neben Ulf, stand auf und kam zu ihr. Sie strich ihm über den mächtigen Kopf. Auch er musste raus.
Der Holzvorrat war unter der Veranda gestapelt, die das Haus an drei Seiten umlief. Der Schnee türmte sich vor der Haustür und machte das Vorwärtskommen mühselig, und es schneite immer weiter. Die Taschenlampe, die Caroline mitgenommen hatte, war nutzlos, alles, was sie in dem kümmerlichen Lichtkegel sehen konnten, war eine weiße Wand wild tanzender Flocken. Sie verständigte sich mit Ulf durch Gesten, denn der Wind brüllte um sie herum und machte jede andere Form der Kommunikation unmöglich. Caroline kämpfte sich mit einem der beiden großen Weidenkörbe in der Hand die Stufen hinunter, immer darauf bedacht, den Kontakt zum Haus nicht zu verlieren. Die dicken Balken, die das Gebäude trugen, und die rauhen Holzwände waren die einzige Orientierung, die sie in dem wirbelnden Weiß hatte, während der Wind an ihr riss und ihr die Kälte den Atem raubte.
Die gestapelten Holzscheite waren aneinander festgefroren, Ulf hieb mit dem Stiel der Axt darauf, die er mit hinausgenommen hatte, bis sich ein ganzer Schwung löste. Mit klammen, behandschuhten Fingern füllte Caroline die Körbe, die Ulf ins Haus trug. Es waren nur wenige Augenblicke, bis er aus dem weißen Nichts wieder neben ihr auftauchte, aber es waren entsetzlich lange Augenblicke, wenn man allein in der Nacht im Schnee kniete, schon nach wenigen Minuten weder Hände noch Füße fühlte, und sie atmete erleichtert auf, als er ihr schließlich zu verstehen gab, dass sie fertig waren. Er half ihr auf, und sie hielt seine Hand, während sie die wenigen Stufen zur Veranda hinaufstolperte.
Er hatte das Holz mitten in den Flur gekippt, es war genug, dass sie bis zum Anbruch des nächsten Tages nicht mehr hinausgehen mussten. Der Stapel verströmte Kälte und dampfte in der warmen Luft, Schnee- und Eiskristalle glitzerten im schwachen Licht. Der Hund schnüffelte daran und lief dann in die Küche, in der eine einzelne Kerze in einem Glas auf dem Tisch spärliches Licht verbreitete. Er hatte Hunger. Caroline folgte ihm und öffnete eine der Dosen, die sie in Vorrat hatte, und während sie ihm beim Fressen zusah, wurde ihr bewusst, dass auch sie und Ulf seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatten. Ganz hinten in einem der Küchenschränke fand sie den alten Topf ihrer Mutter, den sie damals in den Kamin gestellt hatten, und kippte den Kartoffelauflauf hinein, den sie am Vortag gekauft hatte, dazu schnitt sie Reste eines Rentierbratens auf und tat sie mit hinein. Als sie ins Wohnzimmer kam, machte Ulf mit wenigen Griffen Platz im Kamin, und sie stellte den Topf an den Rand des Feuers, wo er sich langsam erwärmen konnte.
»Würdest du es wirklich wieder tun?«, fragte Ulf, während sie beide auf dem Boden vor dem Kamin saßen und darauf warteten, dass das Essen warm wurde. Sie hatten die Felle von der Couch auf den Boden gelegt und die Kissen darauf verteilt, und er hatte sich zwei davon in den Rücken geschoben und sah sie von unten herauf an. Sie saß ihm mit angezogenen Beinen gegenüber und schob ihre kalten Füße unter den Hund, der sich zwischen ihnen ausgestreckt hatte.
»Was meinst du?«, entgegnete sie.
»Würdest du den Mann, der
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