Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
eingeschüchtert und manipuliert hat, indem er ihre Töchter ins Visier nahm. Es gibt Spekulationen, dass er die Töchter bedrohte, um die Mütter zur Kooperation zu zwingen.«
Es ist, als hätte er eine Wasserbombe über dem Raum abgeworfen, und dreißig Hände schießen in die Höhe. Fowler zeigt auf einen Reporter. Die Presseerklärung ist zu einem Frageund-Antwort-Spiel geworden.
»Wurden die Töchter verletzt?«
»Nein, die Töchter wurden nicht angerührt, aber beiden Frauen wurde offenbar etwas anderes vorgespiegelt.«
»Wie?«
»Das wissen wir im Moment noch nicht.«
DI Cray ist wütend. Die Spannung am Tisch ist unverkennbar. Pearson von der Daily Mail wittert seine Chance.
»Assistant Chief Constable, Professor O’Loughlin hat eben gesagt, er möchte den Mörder verstehen. Ist das auch Ihr Wunsch?«
Fowler lehnt sich zurück. »Nein.«
»Warum nicht, Sir?«
»Professor O’Loughlins Unterstützung ist für diese Ermittlung nicht von entscheidender Bedeutung.«
»Das heißt, Sie können in seinem Täterprofil keinen Nutzen erkennen?«
»Absolut gar keinen.«
»Aber warum ist er dann hier?«
»Diese Frage werde ich nicht beantworten.«
Die erhobenen Hände werden wieder gesenkt. Die Reporter sehen gerne mit an, wie Pearson den Assistant Chief Constable so lange piekst, bis er einen Nerv trifft. Veronica Cray versucht dazwischenzugehen, aber Fowler gibt das Mikro nicht auf.
Pearson lässt nicht locker. »Professor O’Loughlin hat gesagt, er wäre von dem Mörder fasziniert. Sind Sie auch fasziniert, Assistant Chief Constable?«
»Nein.«
»Er hat gesagt, er möchte, dass der Mörder ihn anruft. Finden Sie das nicht wichtig?«
»Es ist mir schnurzpiepegal, was der Professor möchte«, faucht Fowler. »Ihr Journalisten guckt einfach zu viel Fernsehen. Ihr glaubt, Mordfälle würden von Psychologen, Wissenschaftlern und Hellsehern gelöst. Unsinn! Morde werden durch solide, gute, altmodische Polizeiarbeit aufgeklärt, indem man an Türen klopft, Zeugen befragt und Aussagen aufnimmt.«
Spucketröpfchen landen auf dem Mikro, als Fowler sich vorbeugt und mit ausgestrecktem Zeigefinger jedes seiner Argumente betont.
»Was die Polizei bei dieser Ermittlung nicht gebrauchen kann, ist ein Universitätsprofessor, der nie eine Verhaftung vorgenommen hat, nie in einem Streifenwagen gefahren ist und nie einem gewalttätigen Verbrecher gegenüberstand, uns aber erzählen will, wie wir unseren Job zu machen haben. Und man braucht auch keinen Abschluss in Psychologie, um zu erkennen, dass wir es mit einem perversen Feigling zu tun haben, der sich schwache, verletzliche Opfer aussucht, weil er keine Frau kriegen oder festhalten kann oder als Kind nicht lange genug gestillt wurde.
Das Profil, das Professor O’Loughlin erstellt hat, besteht meiner Ansicht nach den Na-und?-Test nicht. Ja, wir suchen nach einem Mann aus der Gegend, zwischen dreißig und fünfzig, der zu unterschiedlichen Zeiten arbeitet und Frauen hasst. Das ist ziemlich offensichtlich, sollte man meinen. Dafür braucht es keine verdammte Wissenschaft.
Der Professor möchte, dass wir diesem Mann Respekt erweisen. Er möchte ihm mitfühlend und verständnisvoll die Hand entgegenstrecken. Das sehe ich anders. Dieser Täter ist Abschaum und wird allen Respekt, den er verdient, im Gefängnis bekommen, denn genau dort wird er landen.«
Alle Augenpaare im Raum sind auf mich gerichtet. Ich stehe unter Beschuss, aber was kann ich tun? DI Cray fasst meinen Unterarm. Sie will nicht, dass ich antworte.
Es werden weiter Fragen gerufen:
»Wie bedroht er die Töchter?«
»Wurden die Frauen vergewaltigt?«
»Stimmt es, dass er sie gefoltert hat?«
»Wie wurden sie gefoltert?«
Fowler ignoriert sie. Er setzt seine Mütze auf und rückt sie gerade. Dann schlägt er seine Handschuhe von einer Hand in die andere und marschiert den Mittelgang hinunter, als würde er den Paradeplatz verlassen.
Blitzlichter flackern auf. Die Fragen gehen weiter:
»Wird er wieder töten?«
»Warum hat er diese Frauen ausgewählt?«
»Glauben Sie, dass er sie kannte?«
Veronica Cray legt eine Hand auf das Mikro und flüstert mir etwas ins Ohr. Ich nicke und trete wütend und beschämt ab. Im Saal erhebt sich Protestgeheul. Das Ganze ist von einer Pressekonferenz zu einer Hetzjagd geworden.
DI Cray dreht sich langsam um und bedenkt den Saal mit einem grimmigen Blick, der Erklärung genug ist. Die Pressekonferenz ist beendet.
38
Veronica Cray stapft den Flur
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