Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
streckt sie über den Tisch. »Wollen Sie wissen, warum sie so ruhig sind? Tabletten. Das hat Tyler uns angetan. Wir stehen beide unter Medikamenten. Er hat unser Leben zu einem einzigen Elend gemacht.«
Bei unserer ersten Begegnung dachte ich, Bryan Chambers Wut und Heimlichtuerei seien Symptome von Paranoia. Jetzt habe ich mehr Mitgefühl. Er hat seine Tochter und seine Enkelin verloren, und seine geistige Gesundheit ist ernsthaft in Gefahr.
»Erzählen Sie mir von Gideon«, bitte ich ihn. »Wann haben Sie ihn kennengelernt?«
»Helen hat ihn mit nach Hause gebracht. Ich fand von Anfang an, dass er kalt wie ein Fisch war.«
»Wieso?«
»Er hat immer den Eindruck gemacht, als kenne er die Geheimnisse aller anwesenden Leute, ohne dass einer seines kannte. Er war offensichtlich beim Militär, wollte jedoch nicht über die Army oder seine Arbeit reden - nicht mal mit Helen.«
»Wo war er stationiert?«
»In Chicksands in Bedfordshire. Dort ist so ein Ausbildungszentrum der Army.«
»Und danach?«
»Nordirland und dann Deutschland. Er war oft unterwegs. Er hat Helen nicht gesagt, wohin, aber es gab Hinweise, sagte sie. Afghanistan, Ägypten, Marokko, Polen, Irak …«
»Irgendeine Ahnung, was er gemacht hat?«
»Nein.«
Ruiz ist zum Fenster gegangen und bewundert die Aussicht. Gleichzeitig mustert er den Mann im Nadelstreifenanzug von der Seite. Ruiz ist intuitiver als ich. Ich suche bei der Beurteilung eines Menschen nach verräterischen Anzeichen, er erspürt Sie.
Ich frage Mr. Chambers nach der Ehe seiner Tochter. Ich möchte wissen, ob der Bruch plötzlich kam oder sich lange hingezogen hat. Manche Paare klammern sich an nichts weiter als Vertrautheit und Routine, lange nachdem das eigentliche Gefühl verschwunden ist.
»Ich liebe meine Tochter, Professor, aber ich behaupte nicht, Frauen besonders gut zu verstehen, nicht mal meine eigene Frau«, sagt er und schnäuzt sich die Nase. »Sie liebt mich - erklären Sie das mal.«
Er faltet das Taschentuch zwei Mal und steckt es wieder in seine Hosentasche.
»Mir hat es nicht gefallen, wie Gideon Helen manipuliert hat. In seiner Gegenwart war sie ein anderes Mädchen. Als sie geheiratet haben, wollte Gideon, dass sie blond ist. Sie ging zum Frisör, aber das Resultat war eine Katastrophe. Am Ende hatte sie dann helle, rötlich gelbe Haare. Sie war schon verlegen genug, aber Gideon hat es noch schlimmer werden lassen. Er hat sich bei der Hochzeit über sie lustig gemacht und sie vor ihren Freundinnen gedemütigt. Dafür habe ich ihn gehasst.
Bei der Feier wollte ich mit ihr tanzen. Das ist eine Tradition - der Vater tanzt mit der Braut. Gideon hat Helen gezwungen, ihn um Erlaubnis zu fragen. Es war ihr Hochzeitstag, Herrgott noch mal! Welche Braut muss um Erlaubnis fragen, wenn sie auf ihrer Hochzeit mit ihrem Vater tanzen will?«
Etwas zuckt in seinem Gesicht, ein unwillkürlicher Reflex.
»Als sie nach Nordirland gezogen sind, hat Helen immer mindestens zwei Mal pro Woche angerufen und lange Briefe geschrieben. Dann hörten die Anrufe und die Briefe nach und nach auf. Gideon wollte nicht, dass sie mit uns Kontakt hält.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß nicht. Es kam mir vor, als wäre er eifersüchtig auf ihre Familie und ihre Freundinnen. Wir haben Helen immer seltener gesehen. Wenn sie zu Besuch kamen, blieben sie nie länger als eine Nacht oder zwei, bevor Gideon den Wagen wieder packte. Helen lächelte kaum und sprach nur noch flüsternd,
aber sie war loyal zu Gideon und hat kein Wort gegen ihn gesagt.
Als sie mit Chloe schwanger war, hat sie ihrer Mutter erklärt, sie solle sie nicht besuchen kommen. Später haben wir erfahren, dass Gideon das Baby nicht wollte. Er war außer sich vor Wut und verlangte, dass sie es abtreiben ließ. Helen weigerte sich.
Ich weiß das nicht mit Sicherheit, aber ich glaube, er war eifersüchtig auf sein eigenes Kind. Können Sie sich das vorstellen? Seine Einstellung hat sich eigenartigerweise komplett geändert, nachdem Chloe geboren war. Er war verzückt. Gebannt. Das Leben hat sich beruhigt. Sie waren glücklicher.
Gideon wurde nach Osnabrück in Deutschland versetzt, die Basis der britischen Streitkräfte dort. Sie zogen in eine von der Army gestellte Wohnung. In den Quartieren für Familien gab es viele andere Frauen und Kinder. Helen schaffte es, etwa einmal im Monat zu schreiben, aber bald blieben die Briefe wieder aus, und sie konnte ohne seine Erlaubnis keinen Kontakt zu uns aufnehmen.
Jeden Abend
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