Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Afghanistan und Irak unternommen. Die jeweiligen Aufenthalte haben unterschiedlich lange gedauert: nie kürzer als eine Woche und nie länger als einen Monat.«
»Warum Ägypten und Somalia?«, fragt Ruiz. »Dort ist die britische Armee doch gar nicht im Einsatz.«
»Möglicherweise hat er einheimische Sicherheitskräfte ausgebildet.«
»Das erklärt aber noch nicht die Heimlichtuerei.«
»Gegenspionage.«
»Klingt schon plausibler.«
»Maureen Bracken hat erzählt, dass Christine und Sylvia immer gewitzelt haben, Gideon wäre ein Spion.«
Ich betrachte die Liste der besuchten Länder: Afghanistan, Irak, Polen, Pakistan, Ägypten und Somalia. Er ist ein ausgebildeter Verhörspezialist, ein Experte darin, Verdächtigen Informationen zu entlocken - Kriegsgefangenen, Häftlingen, Terroristen …
Das Bild von Sylvia Furness, mit einer Kapuze über dem Kopf an einem Ast hängend, tritt mir vor Augen. Und ein zweites Bild: Maureen Bracken, kniend mit verbundenen Augen und ausgestreckten Armen. Sensorische Deprivation, Desorientierung und Demütigung, das stammt aus der Werkzeugkiste von Verhörspezialisten und Folterknechten.
Wenn Gideon glaubt, dass Helen und Chloe noch leben, liegt es nahe, dass er annimmt, dass jemand die beiden versteckt. Bryan und Claudia Chambers, Christine Wheeler, Sylvia Furness und Maureen Bracken.
DI Cray sieht mich fest an. Ruiz sitzt reglos da, den Blick nach oben gewandt, als würde er einem einfahrenden Zug oder einem Echo aus seiner Vergangenheit lauschen.
»Angenommen, Sie haben recht und Tyler glaubt, die beiden leben noch«, sagt Veronica Cray, »warum versucht er, sie aufzuscheuchen? Welchen Sinn hat das? Helen wird nicht zu ihm zurückkommen, und er wird nie wieder dieselbe Luft wie seine Tochter atmen.«
»Er will sie nicht zurück. Er will seine Frau dafür bestrafen, dass sie ihn verlassen hat, und er will seine Tochter sehen. Tyler wird von Angst und Hass angetrieben. Angst davor, wozu er selber fähig ist. Und Angst, seine Tochter niemals wiederzusehen. Aber sein Hass ist noch stärker. Er hat eine ganz eigene Struktur.«
»Was soll das heißen?«
»Sein Hass ist von einer Art, die verlangt, dass wir beiseitetreten;
sein Hass negiert die Rechte anderer, er säubert, er vergiftet, er diktiert, was Gideon glaubt. Der Hass ist es, der ihn aufrechterhält.«
»Wen wird er als Nächstes attackieren?«
»Das lässt sich nicht sagen. Helens Familie ist geschützt, aber sie muss noch jede Menge anderer Freundinnen haben.«
DI Cray stützt sich fest auf ihre Knie und sucht Trost im Anblick der polierten Spitzen ihrer Schuhe. Eine Bahnsteigansage zerreißt die Luft. Sie muss los.
Sie knöpft ihren Mantel zu, steht auf, verabschiedet sich und hastet mit beunruhigender Zielstrebigkeit durch die Halle zu ihrem bereitstehenden Zug. Ruiz sieht ihr nach und kratzt sich die Nase.
»Glaubst du, dass in Cray eine schlanke Frau steckt, die herauskommen möchte?«
»Zwei.«
»Sollen wir noch einen trinken gehen?«
Ich sehe auf die Uhr. »Ein anderes Mal. Juliannes Party geht um acht los. Ich möchte ihr noch ein Geschenk kaufen.«
»Was für ein Geschenk denn?«
»Schmuck ist immer nett.«
»Nur, wenn du eine Affäre hast.«
»Was soll das heißen?«
»Teure Geschenke sind Ausdruck von schlechtem Gewissen.«
»Sind sie nicht.«
»Je teurer der Schmuck, desto tiefer die Schuldgefühle.«
»Du bist ein bemitleidenswert argwöhnischer Mann.«
»Ich war drei Mal verheiratet. Ich kenn mich mit so was aus.«
Ruiz beobachtet mich von der Seite. Ich spüre, wie meine linke Hand zuckt.
»Julianne war viel weg. Auf Reisen. Ich vermisse sie. Deshalb dachte ich, ich kauf ihr vielleicht was Besonderes.«
Meine Entschuldigung klingt zu eifrig. Ich sollte einfach die
Klappe halten. Ich werde Ruiz nicht von Juliannes Boss, der Zimmerservicerechnung, der Wäsche und den Anrufen erzählen. Und ich werde auch Darcys Kuss und Juliannes Frage, ob ich sie noch liebe, nicht erwähnen. Ich werde gar nichts sagen - und er wird nicht fragen.
Das ist eine der großen Paradoxien von Männerfreundschaften, eine Art unausgesprochener Kodex: Man fragt nicht nach, es sei denn, man ist ganz unten.
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Die zentrale Halle des Natural History Museum ist zu einem prähistorischen Urwald umdekoriert worden. Affen, Reptilien und Vögel scheinen sich zwischen den Terracotta-Wänden und hoch aufragenden Bogen zu tummeln. Das Skelett eines Diplodocus ist grün angestrahlt.
Ich bin frisch geduscht, sauber
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