Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Träne.
»Ich muss gleich noch mal weg.«
»Gehen Sie nicht.«
»Es dauert nicht lange.«
»Ich mag nicht allein sein.«
»Ich muss deine Füße wieder anketten.«
»Aber kleben Sie mir nicht das Gesicht zu.«
»Nur den Mund.«
Ich reiße ein Stück Klebeband von der Spule.
»Ich hab Sie vorhin gehört«, sagt sie, bevor ich ihr den Mund zukleben kann. »Sie haben das auch mit jemand anderem gemacht.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe gehört, wie Sie Klebeband von einer Spule wie dieser gerissen haben. Sie waren unten.«
»Das hast du gehört?«
»Ja. Ist noch jemand hier?«
»Du stellst zu viele Fragen.«
Ich schiebe den Bügel des Schlosses durch die Ketten um ihre Knöchel und lasse es einrasten.
»Ich werde dir wieder vertrauen, dass du dir das Klebeband nicht abreißt. Wenn du mich enttäuschst, muss ich dir wieder den Schlauch in den Hals schieben und deinen Kopf bedecken. Hast du verstanden?«
Sie nickt.
Ich klebe ihr den Mund mit einem großen Stück Klebeband zu. Tränen schimmern in ihren Augen. Sie drückt sich seitlich an der Wand entlang zu ihrer Matratze und rollt sich darauf zusammen. Ich kann ihr Gesicht nicht mehr sehen.
66
Das Handy auf dem Schreibtisch vibriert. Ich blicke durch die Scheibe zu Oliver Rabb und William Greene. Oliver nickt.
»Hallo?«
»Guten Morgen, Joe, hast du gut geschlafen?«
Gideon ruft aus einem Auto an. Ich höre das Motorengeräusch und das Surren des Asphalts unter den Reifen.
»Wo ist Julianne?«
»Sag mir nicht, du hast sie verloren. Wie achtlos, in weniger als vierundzwanzig Stunden seine Frau und seine Tochter zu verlieren. Das muss eine Art Rekord sein.«
»So ungewöhnlich ist es auch nicht«, erkläre ich ihm. »Du hast deine auch verloren.«
Er verstummt. Ich glaube nicht, dass ihm der Vergleich gefällt.
»Lass mich mit Julianne reden.«
»Nein, sie schläft. Sie ist wirklich eine Granate im Bett, Joe. Ich glaube, sie hat es richtig genossen, mal von einem richtigen Mann statt von einem Behinderten wie dir gevögelt zu werden. Sie ist abgegangen wie eine Handvoll Chinakracher, vor allem als ich ihr den Daumen in den Arsch geschoben habe. Später nehme ich sie noch einmal ran. Vielleicht auch beide zusammen, Mutter und Tochter.
Charlie war sehr brav. Gehorsam. Gefügig. Du wärst stolz auf sie. Jedes Mal, wenn ich sie ansehe, kriege ich so ein ganz warmes, flauschiges Gefühl im Bauch. Weißt du, dass sie im Schlaf wimmert wie eine Geliebte? Hast du meine Frau und meine Tochter gefunden?«
»Ja.«
»Wo sind sie?«
»Auf dem Weg.«
»Falsche Antwort.«
»Ich habe heute Morgen mit Chloe gesprochen. Sie ist ein aufgewecktes Mädchen. Sie hat eine Frage an dich.«
Er zögert. Oliver und William Greene kauern über ihren Computern. Dutzende von Polizeieinheiten sind in Bristol verteilt einsatzbereit, zwei Hubschrauber sind in der Luft. Ich blicke auf die Uhr. Wir reden seit drei Minuten.
»Was für eine Frage?«
»Sie will wissen, was aus ihrer Katze Tinkle geworden ist. Ich meine, sie hätte gesagt, das wäre eine Abkürzung für Tinkerbell. Sie hat gefragt, ob es Tinkle gut geht. Sie hofft, dass du sie bei den Hahns gelassen hast. Sie hat gesagt, die Hahns hätten einen Bauernhof nebenan.«
Gideons Atmung hat sich leicht verändert. Er hört mir mit voller Aufmerksamkeit zu. Über den Kopfhörer verfolge ich Oliver Rabbs Fortschritt.
» Wir haben einen starken Leistungspegel von sieben dBm. Die Signalstärke ist achtzehn Dezibel höher als der nächste Mast. Das Mobiltelefon ist weniger als einhundertfünfzig Meter von der Basisstation entfernt …«
»Bist du noch da, Gideon? Was soll ich Chloe sagen?«
»Sag ihr, dass ich Tinkle zu den Hahns gebracht habe.«
»Das wird sie freuen.«
»Wo ist sie?«
»Auf dem Weg, wie schon gesagt.«
»Das ist doch irgendein Trick.«
»Sie hat mir von der Postkarte erzählt, die sie dir aus der Türkei geschickt hat.«
»Ich hab keine Postkarte bekommen.«
»Ihre Mutter hat ihr nicht erlaubt, sie abzuschicken. Weißt du noch, wie du ihr das Schnorcheln beigebracht hast? Sie hat
von einem Boot aus geschnorchelt und unter Wasser Ruinen gesehen. Sie dachte, es wäre vielleicht Atlantis, die versunkene Stadt, aber sie wollte dich fragen.«
»Lass mich mit ihr reden.«
»Du kannst mit ihr reden, wenn ich Charlie sprechen kann.«
»Versuch nicht, mich zu verarschen, Joe. Hol Chloe ans Telefon. Ich will jetzt mit ihr sprechen.« »Ich hab dir doch gesagt, sie ist nicht
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