Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
eine Wichtigtuer-Pille.«
»Er ist ein ehemaliger Soldat«, sage ich.
»Woher wissen Sie das?«
»Er trägt seine Mütze unter dem linken Arm, damit er den rechten zum Salutieren frei hat.«
Cray schüttelt den Kopf. »Woher wissen Sie solchen Mist?«
»Weil er ein Freak ist«, antwortet Ruiz.
Ich folge ihm nach draußen. Eine Zivilstreife wartet mit laufendem Motor in der Ladezone. Der Constable am Steuer, eine Frau, öffnet die Beifahrertür. Veronica Cray und Monk brechen nach Leigh Woods auf.
Ich wünsche ihnen Glück.
»Glauben Sie an Glück, Professor?«
»Nein.«
»Gut. Ich auch nicht.«
19
Julianne kommt mit dem Zug der Great Western Main Line von Paddington um 15.40 Uhr. Um diese Tageszeit ist die Fahrt angenehm, weil der meiste Verkehr in die Gegenrichtung fließt.
Emma ist in ihrem Kindersitz festgeschnallt, Darcy sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz, die Arme um die hochgezogenen Knie geschlungen. Wenn sie ihren Körper so ziehharmonikagleich zusammenfaltet, nimmt sie kaum Platz ein.
»Wie ist Ihre Frau?«, fragt sie.
»Wundervoll.«
»Lieben Sie sie?«
»Was für eine Frage ist das denn?«
»Bloß eine Frage.«
»Nun, die Antwort ist: Ja.«
»Das müssen sie vermutlich sagen«, gibt sie zurück und klingt dabei sehr abgeklärt. »Wie lange sind Sie schon verheiratet?«
»Sechzehn Jahre.«
»Hatten Sie je eine Affäre?«
»Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht.«
Sie zuckt die Achseln und guckt aus dem Fenster. »Ich glaube nicht, dass es normal ist, einem Menschen ein ganzes Leben lang treu zu sein. Wer sagt, dass man nicht irgendwann aufhört, jemanden zu lieben, oder jemanden trifft, den man noch mehr liebt?«
»Du klingst sehr weise. Warst du je verliebt?«
Sie macht eine abschätzige Kopfbewegung. »Ich verliebe mich nicht. Ich habe gesehen, was dabei herauskommt.«
»Manchmal sind wir machtlos.«
»Wir haben es immer in der Hand.«
Sie stützt ihr Kinn auf die Knie, und ich bemerke den violetten Nagellack, den sie aufgetragen hat.
»Was macht Ihre Frau?«
»Nenn sie Julianne. Sie ist Dolmetscherin.«
»Ist sie viel weg?«
»In letzter Zeit öfter.«
»Und Sie bleiben zu Hause?«
»Ich habe eine Teilzeitstelle an der Universität.«
»Wegen des Zitterns?«
»Ja, vermutlich schon.«
»Sie sehen nicht krank aus, wenn Sie das tröstet - bis auf das Zittern, meine ich. Sie sehen okay aus.«
Ich lache sie an. »Na, vielen Dank.«
Julianne steigt aus dem Zug, und ihre Augen werden wie von Zauberhand größer, als sie die Blumen sieht.
»Wer ist die Glückliche?«
»Ich will das letzte Mal wiedergutmachen.«
»Du hattest einen Grund.«
Ich küsse sie. Sie entscheidet sich für ein flüchtiges Küsschen, während meine Lippen verharren wollen. Sie hakt sich bei mir unter. Ich ziehe ihren Koffer hinter uns her.
»Wie geht es den Mädchen?«, fragt sie.
»Großartig.«
»Und was ist das jetzt mit dem Kindermädchen? Du warst am Telefon ziemlich zurückhaltend. Hast du jemanden gefunden?«
»Nicht direkt.«
»Was soll das heißen?«
»Ich habe mit den Bewerbungsgesprächen angefangen.«
»Und?«
»Es hat sich etwas ergeben.«
Jetzt bleibt sie stehen und dreht sich besorgt um.
»Wo ist Emma?«
»Im Auto.«
»Wer ist bei ihr?«
»Darcy.«
Ich versuche, gleichzeitig weiterzugehen und zu reden. Die Räder ihres Koffers rattern über die Pflastersteine. Nachdem ich die Geschichte im Kopf durchgegangen bin, sollte sie absolut natürlich klingen, aber während sie über meine Lippen kommt, wird ihre Logik immer zweifelhafter.
»Bist du vollkommen verrückt geworden?«, fragt sie.
»Pssst.«
»Versuch nicht, mich zu beschwichtigen, Joe.«
»Du verstehst das nicht.«
»Doch, ich glaube schon. Du willst mir erzählen, dass unser Kind von einem Teenager beaufsichtigt wird, dessen Mutter gerade ermordet wurde.«
»Es ist kompliziert.«
»Und sie wohnt in unserem Haus.«
»Sie ist ein gutes Mädchen. Und sie kann toll mit Emma umgehen.«
»Das ist mir egal. Sie hat keine Ausbildung und keine Referenzen. Sie sollte in der Schule sein.«
»Psst.«
»Du sollst das lassen, habe ich gesagt.«
»Sie ist hier.«
Juliannes Blick schnellt hoch. Darcy steht vor dem Auto und kaut rhythmisch auf einem Kaugummi. Emma balanciert zwischen ihren Armen auf der Stoßstange.
»Darcy, das ist Julianne. Julianne, das ist Darcy.«
Julianne lässt ihr aufgesetztes extrabreites Lächeln aufblitzen. »Hallo.«
Darcy hebt die Hand ein paar Zentimeter zu einem
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