Deine Juliet
von Anne Brontë mit, die ich verfasst habe, damit Sie sehen können, dass ich auch zu anderen Arbeiten imstande bin. Das Buch hat sich nicht gut verkauft – offen gesagt, überhaupt nicht, aber ich bin viel stolzer darauf als auf
Izzy Bickerstaff zieht in den Krieg.
Wenn ich noch etwas tun kann, um Sie meiner guten Absichten zu versichern, werde ich es mit Freuden tun.
Mit herzlichen Grüßen,
Juliet Ashton
Juliet an Sophie
11. Februar 1946
Liebste Sophie,
Markham V. Reynolds, der Kamelienherr, ist endlich in Erscheinung getreten. Hat sich vorgestellt, mir Komplimente gemacht und mich hochnobel ins Claridge’s zum Essen eingeladen. Ich habe artig zugesagt – o ja, ich
habe
vom Claridge’s gehört – undmich dann die folgenden drei Tage mit meiner Frisur herumgequält. Ein Glück, dass ich das schöne neue Kleid habe, sodass ich keine kostbare Zeit mit der aufreibenden Überlegung verschwenden musste, was ich anziehen sollte.
Wie Madame Helena schon sagte: «Ihre Haare sind eine Katastrophe.» Ich probierte eine Innenrolle: Sie löste sich auf. Eine Hochfrisur: Sie löste sich auf. Ich war drauf und dran, mir eine riesengroße rote Samtschleife um den Kopf zu binden, als meine Nachbarin Evangeline Smythe mir zu Hilfe kam, welch ein Segen! Sie vollbringt Wunder mit meinen Haaren. In zwei Minuten war ich die Verkörperung der Eleganz – sie zwirbelte die Locken im Nacken zusammen –, und ich konnte sogar den Kopf bewegen. So brach ich auf und kam mir absolut bewunderungswürdig vor. Nicht einmal das Marmorfoyer vom Claridge’s konnte mich einschüchtern
.
Dann kam Markham V. Reynolds auf mich zu, und die Seifenblase zerplatzte. Er ist umwerfend, Sophie. Einen Mann wie ihn habe ich noch nie gesehen. Nicht einmal der Heizungsmann kann sich mit ihm messen. Braungebrannt, leuchtend blaue Augen. Erstklassige Lederschuhe, eleganter wollener Anzug, schneeweißes Tuch in der Brusttasche. Als Amerikaner ist er natürlich groß, und er hat dieses alarmierende amerikanische Lächeln, diese blitzenden Zähne und die gute Laune, aber leutselig ist er nicht. Er ist ungemein imponierend und daran gewöhnt, Leute herumzukommandieren. Das tut er aber ganz ungezwungen, sodass es ihnen gar nicht auffällt. Er hält seine Meinung für die Wahrheit, aber ohne dabei unangenehm zu werden. Das hat er gar nicht nötig, weil er zu sehr davon überzeugt ist, recht zu haben.
Als wir in unserer mit Samt drapierten Nische Platz genommen hatten und die vielen Kellner und Oberkellner nicht mehr um uns herumschwirrten, fragte ich ihn rundheraus, warum er mir die Unmengen von Blumen geschickt hat, ohne einen Brief beizufügen.
Er lachte. «Um Ihr Interesse zu wecken. Wenn ich Ihnen geschrieben und Sie gebeten hätte, sich mit mir zu treffen, was hätten Sie geantwortet?» Ich gab zu, dass ich abgelehnt hätte. Er sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. War es seine Schuld, dass ich mich so leicht von ihm austricksen ließ?
Es war mir schrecklich unangenehm, dass ich so durchschaubar war, aber er lachte bloß. Und dann sprach er über den Krieg und die viktorianische Literatur – er weiß, dass ich eine Anne-Brontë-Biographie geschrieben habe –, über New York und die Rationierung, und ehe ich mich versah, sonnte ich mich vollkommen verzückt in seiner Aufmerksamkeit.
Weißt Du noch, wie wir in Leeds gemeinsam darüber spekuliert haben, warum Markham V. Reynolds junior ein geheimnisumwitterter Mann bleiben wollte? So enttäuschend es ist, wir haben uns geirrt. Er ist nicht verheiratet. Er ist wahrlich nicht schüchtern. Er hat keine entstellende Narbe, die ihn das Tageslicht scheuen lässt. Er ist offenbar kein Werwolf (jedenfalls hat er kein Fell an den Knöcheln). Und er ist kein Nazi auf der Flucht (dann hätte er einen Akzent).
Obwohl – wenn ich es mir recht überlege, ist er vielleicht doch ein Werwolf. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie er in Verfolgung seiner Beute durchs Moor stürmt, und ich bin überzeugt, dass er einen harmlosen Beobachter, ohne zu zögern, fressen würde. Ich werde ihn beim nächsten Vollmond genau beobachten. Er hat mich gefragt, ob ich Samstag mit ihm tanzen gehe – vielleicht sollte ich etwas Hochgeschlossenes anziehen. Ach nein, das hat ja eher mit Vampiren zu tun.
Ich glaube, ich bin ein bisschen berauscht.
Allerliebste Grüße,
Juliet
Lady Bella Taunton an Amelia Maugery
11. Februar 1946
Sehr geehrte Mrs. Maugery,
ich habe den Brief
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