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Deine Juliet

Deine Juliet

Titel: Deine Juliet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Mary Ann / Barrows Shaffer
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Kriegszeiten zu schreiben – unter dem Namen Izzy Bickerstaff.
    Ich habe eine Kolumne von ihr gelesen und mein Abonnement gekündigt. Sie stellte den guten Geschmack unserer guten (wenngleich toten) Königin Victoria in Frage. Sie kennen bestimmt das gewaltige Denkmal, das Victoria für ihren geliebten Gemahl Prinz Albert errichten ließ. Es ist das Juwel in der Krone von Kensington Gardens, ein Monument für den erlesenen Geschmack der Königin wie auch für den Verstorbenen. Juliet beantragte beim Ministerium für Ernährung, rund um das Denkmal Erbsen pflanzen zu lassen – sie schrieb, eine bessere Vogelscheuche als Prinz Albert existiere in ganz England nicht.
    Sosehr ich ihren Geschmack, ihre Urteilsfähigkeit, ihre deplatzierten Prioritäten kritisiere, so hat sie doch eine gute Eigenschaft – sie ist ehrlich. Wenn sie sagt, sie wird den guten Namen Ihres Buchclubs achten, dann wird sie es tun. Mehr kann ich nicht sagen.
     
    Ihre ergebene
    Lady Bella Taunton

Hochwürden Simon Simpless an Amelia Maugery
    12.   Februar 1946
    Meine liebe Mrs.   Maugery,
    ja, Sie können sich auf Juliet verlassen. Das darf ich mit Fug und Recht behaupten. Ihre Eltern waren gute Freunde von mir, so wie alle meine Pfarrkinder von St.   Hilda.
    Tatsächlich war ich an dem Abend, als sie geboren wurde, bei ihnen zu Gast.
    Juliet war ein eigensinniges, aber auch liebes, aufmerksames, fröhliches Kind, das für einen so jungen Menschen einen ungewöhnlichen Hang zur Rechtschaffenheit hatte.
    Ich möchte Ihnen einen Vorfall schildern, der sich zutrug, als sie zehn Jahre alt war. Beim Singen der vierten Strophe von «Sein Auge ruht auf dem Spatzen» klappte Juliet ihr Gesangbuch zu und weigerte sich, auch nur einen weiteren Ton zu singen. Sie sagte unserem Chorleiter, der Text verunglimpfe Gottes Charakter. Wir sollten das nicht singen. Er (der Chorleiter, nicht Gott) wusste nicht, was tun, deshalb brachte er Juliet in mein Studierzimmer, damit ich ihr ins Gewissen redete.
    Es ist mir nicht gelungen. Juliet sagte: «Er hätte nicht schreiben sollen, ‹sein Auge ruht auf dem Spatzen› – was soll denn das? Hat er gemacht, dass der Vogel nicht tot runterfällt? Hat er auch nur ‹hoppla› gesagt? Es klingt, als wäre Gott zum Vogelbeobachten gegangen, als die Menschen ihn brauchten.»
    Ich fühlte mich bemüßigt, Juliet in dieser Sache recht zu geben – warum war ich noch nicht selbst darauf gekommen? Der Chor hat «Sein Auge ruht auf dem Spatzen» nicht gesungen, weder damals noch später.
    Juliets Eltern starben, als sie zwölf war, und sie wurde zu ihrem Großonkel Dr.   Roderick Ashton nach London geschickt. Wiewohl kein liebloser Mensch, war er so in seine griechischrömischen Studien vertieft, dass er keine Zeit hatte, sich demMädchen zu widmen. Er hatte auch keine Phantasie – fatal für jemanden, der ein Kind aufzuziehen hat.
    Sie ist zweimal durchgebrannt. Das erste Mal kam sie nur bis zum King’s-Cross-Bahnhof. Die Polizei fand sie, wie sie mit einer gepackten Segeltuchtasche und der Angelrute ihres Vaters auf den Zug nach Bury St.   Edmunds wartete. Man brachte sie zu Dr.   Ashton zurück – und sie lief abermals fort. Diesmal rief Dr.   Ashton mich an und bat mich, bei der Suche nach ihr zu helfen.
    Ich wusste genau, wohin ich gehen musste – zum Bauernhof ihrer Eltern. Ich fand Juliet gegenüber vom Haus auf einer bewaldeten Anhöhe, unempfindlich gegen den Regen. Sie saß nur da, ganz durchnässt, und sah zu ihrem früheren (inzwischen verkauften) Elternhaus hinüber.
    Ich schickte ihrem Onkel ein Telegramm und machte mich am folgenden Tag mit ihr auf den Weg nach London. Ich hatte beabsichtigt, mit dem nächsten Zug zu meinem Pastorat zurückzufahren, aber als ich sah, dass dieser Trottel von Onkel seine Köchin geschickt hatte, um sie abzuholen, bestand ich darauf mitzukommen. Ich marschierte in sein Studierzimmer, und wir hatten ein eindringliches Gespräch. Er sah ein, dass ein Internat wohl das Beste für Juliet sei – ihre Eltern hatten reichlich Mittel für eine solche Möglichkeit hinterlassen.
    Glücklicherweise kannte ich eine sehr gute Schule   – St.   Swithin. Eine ausgezeichnete Schule, deren Direktorin nicht aus weichem Holz geschnitzt war. Es freut mich, Ihnen sagen zu können, dass Juliet dort gut gedieh – sie fand das Lernen anregend, doch ich glaube, der eigentliche Grund für Juliets Aufleben war ihre Freundschaft mit Sophie Stark – und mit der Familie Stark. Sie verbrachte die

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