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Deine Juliet

Deine Juliet

Titel: Deine Juliet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Mary Ann / Barrows Shaffer
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sehr unter der stechenden Hitze gelitten.
    Im Frühjahr 1940 zog er mit dem größten Teil seines Besitzes, Lady Tobias inbegriffen, in La Fort ein. Chausey, sein Londoner Hausdiener, hatte sich in der Speisekammer eingeschlossen und weigerte sich standhaft mitzukommen. Deswegen fuhr ich, sein Kammerdiener, statt Chausey mit, um das Aufstellen der Möbel, das Aufhängen der Vorhänge, das Polieren des Silbers und das
Auffüllen des Weinkellers
zu beaufsichtigen. Dort bettete ich jede Flasche in ihre Mulde, so behutsam, wie man ein Baby in sein Bettchen legt.
    Just als das letzte Bild an die Wand gehängt wurde, bombardierten die deutschen Flugzeuge St.   Peter Port. Lord Tobias, der ob des Lärms in Panik geriet, rief den Kapitän seiner Yacht zu sich und befahl ihm: «Schiff klarmachen!» Wir sollten das Silber, seine Gemälde, allen Nippes und, sofern noch Platz blieb, auch Lady Tobias auf das Boot laden und unverzüglich nach England in See stechen.
    Ich war der Letzte auf der Landungsbrücke, und Lord Tobias schrie: «Beeilung, Mann! Beeilung, die Hunnen kommen!»
    In diesem Moment ging mir meine wahre Bestimmung auf, Miss Ashton. Ich hatte noch den Schlüssel zum Weinkeller Seiner Lordschaft. Ich dachte an die vielen Flaschen mit Wein, Champagner, Brandy, Cognac, die nicht mit auf die Yacht gekommen waren – und an mich, allein mittendrin. Ich dachte, kein Glöckchen mehr, keine Livree, kein Lord Tobias.
Nie, niemals mehr zu Diensten sein
.
    Ich kehrte ihm den Rücken und lief über die Landungsbrücke davon. Rannte die Straße hinauf nach La Fort, sah die Yacht fortsegeln und hörte Lord Tobias weiter zetern. Dann trat ich ins Haus, machte Feuer und ging in den Weinkeller hinunter. Ich nahm mir eine Flasche Claret und zog meinen ersten Korken. Ich ließ den Wein atmen. Dann begab ich mich in die Bibliothek, trank einen Schluck und begann
Der Begleiter des Weinliebhabers
zu lesen.
    Ich las über Trauben, pflegte den Garten, schlief in Seidenpyjamas –und trank Wein. So ging es weiter bis September, als Amelia Maugery und Elizabeth McKenna mich aufsuchten. Elizabeth kannte ich flüchtig – wir hatten etliche Male zwischen den Marktbuden miteinander geplaudert   –, doch Amelia war eine Fremde für mich. Wollten sie mich zur Polizei bringen?
    Nein. Sie waren gekommen, um mich zu warnen. Der Kommandant von Guernsey hatte verfügt, dass alle Juden sich im Hotel Royal melden und registrieren lassen sollten. Dem Kommandanten zufolge würde nur «Jude» in unseren Ausweis eingetragen, danach könnten wir nach Hause gehen. Elizabeth wusste, dass meine Mutter Jüdin war, ich hatte es einmal erwähnt. Sie waren gekommen, um mir zu sagen, dass ich unter gar keinen Umständen ins Hotel Royal gehen dürfe.
    Aber das war noch nicht alles. Elizabeth hatte gründlich über meine prekäre Lage nachgedacht (gründlicher als ich) und einen Plan gefasst. Wenn alle Inselbewohner ohnehin einen Ausweis haben mussten, warum könnte ich mich dann nicht als Lord Tobias Penn-Piers ausgeben? Ich könnte behaupten, als Gast auf der Insel hätte ich alle Urkunden in meiner Londoner Bank gelassen. Amelia war überzeugt, dass Mr.   Dilwyn meine Personalien mit Freuden bestätigen werde, und das tat er. Er und Amelia gingen mit mir zur Kommandantur, und wir beteuerten, ich sei kein anderer als Lord Tobias Penn-Piers höchstpersönlich.
    Elizabeth setzte dem Ganzen dann die Krone auf: Die Deutschen beschlagnahmten auf Guernsey sämtliche vornehmen Häuser als Unterkunft für ihre Offiziere, und einen Wohnsitz wie La Fort würden sie nicht übersehen – er sei zu schön, um ihn sich entgehen zu lassen. Und wenn sie kämen, müsse ich als Lord Tobias Penn-Piers vor sie hintreten. Mich ganz ungezwungen geben wie ein der Muße huldigender Edelmann. Da bekam ich es mit der Angst.
    «Unsinn», sagte Elizabeth. «Sie haben Ausstrahlung, Booker.Sie sind groß, dunkelhaarig, stattlich, und alle Diener verstehen es, die Nase hochzutragen.»
    Sie beschloss, eiligst mein Porträt als ein Penn-Piers des sechzehnten Jahrhunderts zu malen. So saß ich in Samtumhang und Halskrause vor einem Hintergrund aus dunklen Gobelins und düsteren Schatten Modell, den Dolch in der Hand, erhaben, betrübt und verräterisch zugleich blickend.
    Es war ein brillanter Schachzug, denn keine zwei Wochen später erschien – ohne anzuklopfen – ein Trupp deutscher Offiziere (sechs an der Zahl) in meiner Bibliothek. Dort empfing ich sie, ein Glas 93er Château Margaux in

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