Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deine Juliet

Deine Juliet

Titel: Deine Juliet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Mary Ann / Barrows Shaffer
Vom Netzwerk:
ungefähre Richtung.
    Schreibt mir, einer von Euch oder besser noch beide. Ich möchte wissen, wie es dem Patienten und dem Pfleger ergeht. Was sagt Dein Arzt zu Deinem Bein, Sidney   – Du hattest ja inzwischen genug Zeit, um Dir ein neues wachsen zu lassen.
     
    Viele Grüße und Küsse,
    Juliet

Dawsey Adams an Juliet
    15.   April 1946
    Liebe Juliet,
    ich weiß nicht, was in Adelaide Addison gefahren ist. Isola sagt, sie ist einfach gehässig, weil sie gerne gehässig ist – es verleiht ihr so etwas wie eine Bestimmung. Adelaide hat mir allerdings einen Gefallen getan. Sie hat Ihnen besser erzählt, wie viel Freude ich an Charles Lamb habe, als ich es je gekonnt hätte.
    Die Biographie ist eingetroffen. Ich habe sie vor lauter Ungeduld geradezu verschlungen. Aber ich werde noch einmal von vorne anfangen und diesmal langsamer lesen, damit mir nichts entgeht. Es hat mir gefallen, was Mr.   Lucas über ihn geschrieben hat – «er konnte jeden einfachen, unbedarften Gegenstand in etwas Frisches und Schönes verwandeln.» Durch Lambs Schriften fühle ich mich in seinem London heimischer als hier und jetzt in St.   Peter Port.
    Was ich mir allerdings nicht vorstellen kann, ist, wie Charles nach Hause kommt und seine Mutter erstochen, seinen Vater bewusstlos auffindet und seine Schwester Mary mit einem blutigen Schlachtermesser vor den beiden steht. Wie hat er es fertiggebracht, in das Zimmer zu gehen und ihr das Messer wegzunehmen? Und nachdem die Polizei sie im Irrenhaus eingeliefert hatte, wie hat er den Richter überzeugt, sie ganz allein seiner Obhut zu überlassen? Er war damals erst zwanzig Jahre alt – wie hat er das Gericht überredet?
    Er versprach, sich für den Rest ihres Lebens um Mary zu kümmern – und als er diesen Weg einmal beschritten hatte, wich er nicht mehr davon ab. Es ist traurig, dass er aufhören musste, Gedichte zu schreiben, was er liebte, und zum Broterwerb Kritiken und Aufsätze verfassen musste, was er nicht sehr schätzte.
    Ich stelle mir sein ganzes Leben vor, wie er als Schreiber bei der Ostindischen Kompanie gearbeitet hat, um Geld zu sparen für den Tag – und der kam immer wieder   –, an dem Mary erneut wahnsinnig wurde und er sie in einem privaten Heim unterbringen musste.
    Und dann schien er sie sogar zu vermissen – sie hingen so sehr aneinander. Stellen Sie sich die beiden vor, Juliet: Er musste sie wie ein Falke bewachen und auf die schlimmen Symptome achten, und sie selbst merkte, wann der Wahnsinn wieder nahte, und konnte nichts dagegen tun – das muss das Schlimmste von allem gewesen sein. Ich stelle mir vor, wie er da sitzt und sie verstohlen beobachtet und wie sie da sitzt und ihn dabei beobachtet, wie er sie beobachtet. Wie furchtbar muss es für beide gewesen sein, wie der jeweils andere zu leben gezwungen war.
    Aber finden Sie nicht auch, wenn Mary gesund war, dass es dann keine bessere Gefährtin gab? Charles dachte es gewiss, und alle ihre Freunde waren derselben Meinung: Wordsworth, Hazlitt, Leigh Hunt und allen voran Coleridge. An dem Tag, als Coleridge starb, fand man eine Notiz, die er in das Buch gekritzelt hatte, in dem er gerade las: «Charles und Mary Lamb, meinem Herzen lieb und teuer, o ja, meinem Herzen.»
    Vielleicht habe ich zu ausführlich über ihn geschrieben, doch ich möchte Sie und Mr.   Hastings wissen lassen, wie viel Ihre Bücher mir zu denken gegeben haben und welche Freude ich in ihnen finde.
    Die Geschichte aus Ihrer Kindheit gefällt mir – die Glocke, das Heu. Ich sehe es im Geiste vor mir. Haben Sie gerne auf einem Bauernhof gelebt – vermissen Sie ihn manchmal? In Guernsey ist man nie richtig weit weg vom Land, nicht mal in St.   Peter Port, und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie anders es ist, in einer Großstadt wie London zu leben.
    Kit hat sich gegen Mungos entschieden, seit sie weiß, dass sie Schlangen fressen. Sie hofft, unter einem Stein eine Boa constrictorzu finden. Isola hat heute Abend vorbeigeschaut und lässt Sie grüßen, sie wird Ihnen schreiben, sobald sie ihre Kräuter geerntet hat – Rosmarin, Dill, Thymian und Bilsenkraut.
     
    Mit besten Grüßen,
    Dawsey

Juliet an Dawsey Adams
    18.   April 1946
    Lieber Dawsey,
    ich bin ganz glücklich, dass Sie sich per Brief über Charles Lamb austauschen möchten. Ich habe schon immer gedacht, dass es Marys Leid war, das Charles zu einem großen Schriftsteller gemacht hat, selbst wenn er das Dichten aufgeben und für die Ostindische Kompanie tätig sein

Weitere Kostenlose Bücher