Deine Juliet
meine Gründe. Ich bin nie einem Menschen begegnet, der auch nur halb so treu ist wie ein Hund. Wer einen Hund gut behandelt, wird von ihm gut behandelt – er leistet Gesellschaft, ist ein Freund, stellt keine Fragen. Katzen sind anders, aber das nehme ich ihnen nicht übel.
Sie sollen wissen, was manche Guernseyer mit ihren Haustieren gemacht haben, als sie Angst hatten, dass die Deutschen kämen. Zu Tausenden verließen sie die Insel – flogen nach England, segelten davon und ließen ihre Hunde und Katzen zurück.Ließen sie im Stich, überließen es ihnen, durch die Straßen zu streunen, hungrig und durstig – die Schweine!
Ich nahm so viele Hunde bei mir auf, wie ich einsammeln konnte, aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dann nahm das Parlament sich des Problems an – und machte es noch viel, viel schlimmer. Es warnte in den Zeitungen, dass es wegen des Krieges nicht genug Nahrung für die Menschen gebe, geschweige denn für die Tiere. «Ein Haustier pro Familie ist erlaubt», hieß es, «aber die übrigen müssen eingeschläfert werden. Umherstreunende Katzen und Hunde sind eine Gefahr für die Kinder.»
Und dann haben sie die Tiere mit Lastwagen einsammeln und ins Tierasyl St. Andrews bringen lassen, und die Pflegerinnen und Ärzte haben sie dann eingeschläfert. Kaum hatten sie eine Wagenladung Tiere getötet, als auch schon die nächste eintraf.
Ich habe alles mit angesehen – das Einsammeln, das Abladen und das Verscharren.
Ich sah, wie eine Pflegerin an die frische Luft trat und sie in tiefen Zügen einsog. Sie sah selbst sterbenskrank aus. Sie rauchte eine Zigarette, dann ging sie wieder hinein, um bei der Tötung zu helfen. Es dauerte zwei Tage, bis alle Tiere tot waren.
Das ist alles, was ich sagen möchte, aber nehmen Sie es in Ihr Buch auf.
Eine Tierliebhaberin
Sally Ann Frobisher an Juliet
15. Mai 1946
Liebe Miss Ashton,
Miss Pribby hat mir erzählt, dass Sie nach Guernsey kommen wollen, um etwas über den Krieg zu erfahren. Ich hoffe, wir werden uns dann auch kennenlernen, aber ich schreibe Ihnen schon jetzt, weil ich gern Briefe schreibe. Ich schreibe überhaupt gern.
Ich dachte mir, vielleicht möchten Sie wissen, welche Demütigung ich während des Krieges erfahren habe – 1943, da war ich zwölf. Ich hatte die Krätze.
Auf Guernsey gab es nicht genug Seife, um unsere Kleidung, unsere Häuser oder uns selbst sauber zu halten. Wir alle litten an der einen oder anderen Hautkrankheit, hatten Schuppen, Pusteln oder Läuse. Ich für meinen Teil hatte die Krätze auf dem Kopf – unter den Haaren –, und sie wollte und wollte nicht verschwinden.
Schließlich sagte Dr. Ormond, ich müsste mir in unserem Krankenhaus den Kopf rasieren und den Schorf wegschneiden lassen, damit der Eiter abfließen kann. Ich hoffe, Sie müssen nie so etwas Peinliches erleben wie einen kahl geschorenen Schädel, aus dem es überall heraussickert. Am liebsten wäre ich gestorben.
Dort im Krankenhaus habe ich meine Freundin Elizabeth McKenna kennengelernt. Sie war Hilfskrankenschwester auf meiner Station. Die Schwestern waren immer freundlich, aber Miss McKenna war freundlich
und
lustig und hat mir damit über meine düstersten Stunden hinweggeholfen. Als mein Kopf kahl rasiert war, kam sie mit einer Waschschüssel, einer Flasche Lysol und einem scharfen Skalpell in mein Zimmer.
Ich sagte: «Es wird doch nicht wehtun, oder? Dr. Ormond hat gesagt, es tut nicht weh.» Ich versuchte, die Tränen hinunterzuschlucken.
«Da hat er gelogen», sagte Miss McKenna, «es tut höllisch weh. Erzähl deiner Mutter ja nicht, dass ich ‹höllisch› gesagt habe.»
Ich musste kichern, und sie machte den ersten Schnitt, bevor ich überhaupt dazu kam, Angst zu haben. Es tat weh, aber nicht höllisch. Wir machten ein Spiel daraus, während sie die übrigen verschorften Stellen aufschnitt – plärrten die Namen all der Frauen heraus, die je unter der Klinge schwer zu Schaden gekommen waren. «Maria Stuart – schnippschnapp!», «Anne Boleyn – zack!», «Marie-Antoinette – wuuuusch!» Und schon waren wir fertig.
Es tat weh, aber es war auch lustig, weil Miss McKenna ein Spiel daraus gemacht hatte.
Sie betupfte meinen Kahlkopf mit dem Lysol, sah abends noch einmal nach mir und brachte mir einen Seidenschal, den ich mir als Turban um den Kopf wickeln sollte. «Da», sagte sie und drückte mir einen Spiegel in die Hand. Ich sah hinein – der Schal war wunderschön, aber meine Nase
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