Deine Lippen, so kalt (German Edition)
sinken. »Du weißt doch, was dabei herausgekommen ist.«
»Es spielt eine Rolle, Wren.« Die Schärfe seiner Stimme durchschneidet den Raum. »Es spielt eine Rolle, weil es darüber entscheidet, was du zurückgebracht hast.«
»Wovon redest du da? Ich habe Danny zurückgebracht.«
»Komm schon, Wren.« Zum ersten Mal seit über einer Stunde steht er auf, und der Couchtisch schrammt quietschend über den Boden, als er sich davon abstößt. Er pflügt wieder mit den Fingern durch sein Haar, während er mit großen Schritten auf das Fenster zugeht. »Ist er wirklich der Danny, den du kanntest?«
Der eisige Klumpen in meinem Magen wächst. Ich schlucke die aufwallende Übelkeit hinunter. »Ja. Größtenteils.«
»Wren.« Gabriel dreht sich um, den Kopf zur Seite geneigt. »Sei ehrlich.«
»Das ist er.« Ich setze mich auf, schlinge erneut die Arme um meine Knie. »Er ist ein bisschen … anders, aber er ist es, Gabriel. Es ist wirklich Danny.«
Es ist beinah halb fünf und das Licht draußen schwindet bereits. Da Gabriels Gesicht im Schatten liegt, fällt es schwer, darin zu lesen. Ich erkenne nicht mehr als die kantige Linie seines Profils und den entschlossenen Zug um seinen Mund. Als er plötzlich den Raum durchquert, um eine Lampe anzumachen, bin ich nicht darauf gefasst, und als er sich neben mich auf das Sofa fallen lässt, zucke ich zusammen.
»Erzähl es mir einfach.«
Ich hole tief Luft. Er ist so nah, zwischen seinem Oberschenkel und meiner Hüfte ist nur ein Fingerbreit Platz. Das Licht der Lampe ist eine schmutzige goldene Pfütze auf der anderen Seite des Raums und in seinem Schein wirkt die Wohnung noch mehr wie eine Kreuzung aus Obdachlosenasyl und Garagenflohmarkt.
Ich konzentriere mich auf einen kaputten Karton, aus dem T-Shirts und Handtücher auf die abgewetzten Dielen quellen. »Ich musste einen Vollmond abwarten. Also fand ich heraus, wann der nächste sein würde, und besorgte alles was ich brauchte, während ich wartete.«
»Welchen Beschwörungszauber hast du benutzt?«
Ich weiche seinem Blick aus. »Ich habe ihn selbst geschrieben.«
Seine Augen werden groß. »Ehrlich?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ehrlich. Ich meine, ich habe mir ein paar Bücher angesehen und Ideen gesammelt. Aber ja …«
Sein Mund steht immer noch ein wenig offen, als er mir mit der Hand bedeutet, weiterzuerzählen.
»Ich brauchte ein paar Dinge, die ich hier nicht auftreiben konnte«, fahre ich fort und starre über die Knie hinweg auf meine Schuhspitzen. »Alraunenwurzel. Ein Ritualmesser. Man nennt es …«
»Athame, ich weiß. Meine Großmutter hatte eins, das sie meiner Mutter vererbte, als sie starb.«
Ich schlucke wieder. Das habe ich nicht erwartet. »Ich schrieb mir die Beschwörung auf, und sammelte die anderen Dinge, die ich brauchte: Safran, Mohn, Schierling. Ein paar Nächte vor dem Vollmond kundschaftete ich den Friedhof aus, um sicherzugehen, dass niemand dort sein würde. Und um mich … na ja, daran zu gewöhnen, verstehst du?«
Bei dem Gedanken an die Nächte, als der Mond fast voll war und ich an Dannys Grab saß, überläuft mich ein Schauer. Manchmal legte ich die Wange an den schlichten Stein, zog die Buchstaben seines Namens nach, die in den Marmor graviert waren. Daniel Francis Greer . Ich hatte nicht gewusst, dass sein zweiter Vorname Francis war.
»Und in jener Nacht?« Gabriel klingt jetzt fast wütend.
»Ich war um elf da und wartete, dass es Mitternacht würde. Ich hatte ein Bild von ihm dabei und eins seiner T-Shirts und all die anderen Sachen. Das Athame hatte ich auch schon gesegnet.«
Ich spüre die leichte Bewegung, als er nickt. »Und dann?«
Ich schließe die Augen, um es mir ins Gedächtnis zu rufen. Inzwischen denke ich nicht mehr oft daran. In jener Nacht war es ungeheuer real. Empfindungen stürmten auf mich ein, die Kühle der Erde, obwohl wir Ende Juli hatten, der feuchte Kuss des Grases an meinen Knien, der nichtssagende, kalkige Geruch des Grabsteins, der Himmel als dunkle Decke über mir.
Ich hatte alles dabei: eine Kerze, eine Schüssel und eine kleine Packung Milch, die Kräuter und das Messer. Als ich die Sachen vor mir ausbreitete, versuchte ich zu ignorieren, wie meine Hände zitterten, blendete das ferne Rascheln der Eichhörnchen in den Bäumen aus, das Zirpen der Grashüpfer.
»Ungefähr fünf Minuten vor Mitternacht goss ich die Milch in die Schüssel und hüllte die Alraunenwurzel in Dannys T-Shirt. Ich legte sie in die Schüssel, ließ sie
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