Deine Seele in mir /
Kein gutes Zeichen. Endlich schließen meine Gedanken zu mir auf. »Ja, ich beobachte dich beim Schlafen.«
Das Grün ihrer Augen schmilzt.
»Jedes Mal wenn du aufwachst, ist es so, als würdest du zurück ins Leben kommen.«
»Hm ... schon wieder.«
Langsam, in das weiße Laken gehüllt, beugt sich Amy vor und küsst mich sacht.
[home]
XVIII. Kapitel
K einer von uns beiden war sich dieser Nebenwirkung bewusst gewesen. Wir grinsen wie Idioten. Den ganzen Tag.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass Gott und die Welt mit nur einem Blick auf uns erkennen kann, was in der vergangenen Nacht geschehen ist.
Wir bestellen Essen und lassen es uns auf das Zimmer bringen. Mit einer Münze klüngeln wir aus, wer es an der Tür entgegennimmt. Unnötig zu erwähnen, dass natürlich
sie
diejenige ist, die triumphierend im Bett liegen bleibt.
Erst am späten Nachmittag, als sich unsere Gesichtsmuskeln einigermaßen entspannt haben, verlassen wir unser Zimmer für einen Spaziergang am Strand. Danach holen wir unsere Taschen und checken aus.
Wir fahren noch keine Stunde, da ist Amy schon eingeschlafen. Eindeutiger Schlafmangel. Ich hingegen helfe mir mit drei extrastarken Tassen Kaffee durch die Nacht.
Als Amy gegen halb acht wach wird, sind wir nur noch zweihundertfünfzig Meilen von unserem Heimatdorf entfernt.
»Guten Morgen.« Sie gähnt hinter vorgehaltener Hand. »Bist du wirklich durchgefahren? Du Tier! Wo sind wir denn?«
Für einen Moment lasse ich die Straße aus den Augen. »Guten Morgen, Schlafmütze! Es ist nicht mehr sehr weit. Spätestens heute Mittag sind wir da.« Amy greift nach meiner Hand und drückt einen Kuss auf meine Finger.
»Ich bin aufgeregt – jetzt, wo es langsam greifbar wird«, gesteht sie. Mit gerunzelter Nase sieht sie mich an. Sie weiß genau, dass es mir nicht anders geht.
Ich versuche, das Stechen in meiner Magengegend zu ignorieren, doch Amy hat die Gedanken an unseren bevorstehenden Aufenthalt in Saint Toulouse entfesselt.
»Hast du dir schon überlegt, wie wir den ersten Kontakt zu deinen Eltern aufnehmen sollen?«, frage ich zögerlich.
»Ja, natürlich! Seitdem ich zurück bin, denke ich jeden Tag darüber nach. Das Paket im Kofferraum habe ich für sie gepackt. Es beinhaltet etwas, was sie hoffentlich überzeugen wird.«
Bevor wir losfuhren, schleppte Amy ein großes Paket an, eingewickelt in Unmengen von Packpapier, mit festem Strick verknotet. Als ich ihr zu Hilfe eilte und fragte, was das sei, wich sie mir aus.
»Du wirst schon sehen«, sagte sie lediglich und verstaute das Paket mit großer Vorsicht im Kofferraum zwischen unserem restlichen Gepäck. Auch jetzt scheint sie nicht mit der Sprache herausrücken zu wollen, also frage ich nicht weiter.
Ein altes Straßenkreuz ist das Erste, was wir beide erkennen. Amy stößt einen spitzen Jubelschrei aus und klebt ab diesem Moment förmlich an der Windschutzscheibe.
Und plötzlich geht es Schlag auf Schlag. Eine kleine Kapelle, der Bäcker, der seine Backwaren noch immer unter demselben Namen verkauft, unser Kindergarten, der Supermarkt. Wir sind in Coeur d’Louise, dem Nachbarort.
Das Alte wird von dem Neuen überschattet, doch wir entdecken ein bekanntes Detail nach dem anderen. Dieser Ort, der immer schon deutlich größer war als unser Dörfchen, hat die Zahl seiner Einwohner innerhalb der letzten einundzwanzig Jahre mit Sicherheit verdreifacht. Die Häuser sind nun größer und die Straßen belebter. Coeur d’Louise gleicht mittlerweile eher einer Kleinstadt als dem mittelgroßen Dorf aus unseren Erinnerungen.
Kurz darauf fahren wir auf ein Hotel zu, das uns sofort bekannt vorkommt, in der Zwischenzeit jedoch umgebaut wurde. Amy hüpft auf ihrem Sitz auf und ab.
»Sieh nur, Matty, das ist das alte
Chez Antoine,
erkennst du es? Können wir hier ein Zimmer nehmen? Bitte, Matt!«
Obwohl die Erinnerungen mich übermannt haben und der Schmerz in meinem Magen nun nicht mehr zu verdrängen ist, entlockt mir Amys Euphorie ein Lächeln.
»Ja, okay. Lass mich nur schnell einen Parkplatz in dieser Verkehrshölle finden. Was ist bloß aus dem verschlafenen Dorf geworden, das wir einmal kannten?«
»Es ist gewachsen, so wie wir«, ruft sie.
Ja, das ist wohl wahr. Minuten später haben wir das Glück, einen Parkplatz direkt vor dem Eingang des Hotels zu ergattern.
An der Rezeption werden wir von einem älteren Mann begrüßt.
»Guten Morgen, meine Dame. Mein Herr!«
Wie schon zwei Tage zuvor, am Tresen des Motels,
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