Deine Seele in mir /
mir; ihre Nähe erschreckt mich.
Sie ist aufgesprungen und blickt nun kreidebleich zu mir herab. Ich kann beim besten Willen nicht deuten, ob ihre Reaktion positiver oder negativer Art ist, ich erkenne nur den tiefen Schock.
Ungelenk klettere ich von Julies Rücken und setze mich neben sie. Mein Körper fühlt sich an, als würde er nicht zu mir gehören. Zu schwer, zu müde. Auch Toms Mund steht weit offen, er sieht mich ebenso fassungslos an wie seine Frau.
Warum sind die beiden so verwirrt? Was ist passiert? Haben sie mich beobachtet?
»Hm?« Die Kraft, in einem vollständigen Satz nachzufragen, fehlt mir noch.
»Na ... das gerade eben. Hast du es denn nicht gehört? Julie ... sie hat doch ... Ja, natürlich, sie hat deinen Namen gesagt. Das war doch ... ganz deutlich. Danke, Matt, hat sie gesagt. Das hast du doch auch gehört, Schatz, oder?«
Kristin schaut fast schon flehend zu Tom, der offenbar einige Sekunden braucht, um sich daran zu erinnern, wie man nickt. Als es ihm wieder einfällt, hört er nicht mehr auf.
Ich blicke auf Julie herab. Regungslos liegt sie neben mir, ihr Blick ist leer.
Kein Vergleich zu diesem lebensfrohen, blühenden Geschöpf, das ich vor wenigen Sekunden noch vor Augen hatte. Neben dieser strahlenden Julie hatten selbst die Blumen der Wiese blass gewirkt.
Mein Gott, wie schön war ihr Lachen gewesen. Nur ein Blick zurück in Kristins und Toms fassungslose Gesichter lässt mein Bewusstsein für Ort und Zeit wieder aufflackern. Auf eine seltsame Weise fühle ich mich ertappt und überrumpelt. Ich verstehe die Zeichen, die Julie mir gegeben hat, ja selbst nicht. Auch wenn ich sie deuten könnte – wie sollte ich erklären, was gerade geschehen ist?
»Keine Ahnung, wie das sein kann«, sage ich schnell und bringe meine Massage dann zu einem korrekten Ende, indem ich mich noch einmal über sie knie und einige Ausstreich-Bewegungen auf Julies Rücken ausführe.
Danach stehe ich auf und entferne mit einigen Feuchttüchern das restliche Öl von meinen Händen. Tom und Kristin schauen mich noch immer verständnislos an, als wäre ich ihnen eine Erklärung schuldig. Ihr Blick frisst sich in meinen Nacken. Ich spüre die Hitze in mir aufsteigen und könnte wetten, dass mein Gesicht bereits knallrot ist.
Nach einer Weile erst scheint Kristin zu realisieren, dass Julie nach wie vor mit freiem Oberkörper auf dem Fußboden liegt. Schnell bückt sie sich zu ihr herab und schließt den BH. Dann dreht sie ihre Tochter auf den Rücken und streicht ihr liebevoll die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Um an Julies Pullover zu gelangen, der ordentlich gefaltet über ihrem Kopf liegt, lehnt sich Kristin dicht über ihre Tochter.
Auf einmal geht alles sehr schnell.
»Nicht!«, ruft Tom noch – so laut, dass ich zusammenschrecke, doch es ist bereits zu spät.
Ein fürchterlicher Schrei, markerschütternd und schrecklich schrill, erfüllt den Raum. Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass es Julies Schrei ist.
In einer Art Krampf, der mich in seiner Heftigkeit an den eines Epileptikers erinnert, strampelt Julie wild mit ihren Beinen und schlägt dabei auch mit den Armen um sich.
Kristin, die im ersten Schock die Arme vor ihr Gesicht geschlagen hatte, versucht nun, Julie zu packen und sie festzuhalten.
Die jedoch wehrt sich mit aller Macht und schleudert ihre Mutter mit ihren unkontrollierten Bewegungen immer wieder von sich weg.
»Hilf ihr, Matt! Bitte, hilf Kristin! Ihr müsst Julie festhalten. So fest du kannst«, ruft Tom mir zu.
Ich handle schnell und impulsiv – allerdings nicht so, wie Tom es mir aufgetragen hat. Mit nur einer ruckartigen Bewegung reiße ich Kristin von Julie weg und halte sie, anstelle ihrer Tochter, so fest in meinen Armen, dass sie nahezu bewegungsunfähig ist.
Warum ich das tue, weiß ich selbst nicht. Reine Intuition.
»Nein! Nein, Matt, wir müssen Julie festhalten«, protestiert Kristin und versucht verzweifelt, sich von mir loszumachen, doch nur einen Moment später hält sie inne.
Wenige Sekunden, nachdem ich den Körperkontakt zwischen Kristin und ihrer Tochter unterbrochen habe, verstummt Julies Schreien genauso abrupt, wie es begonnen hatte. Nahezu regungslos liegt sie nun wieder da. Lediglich ihren Kopf dreht sie ein wenig hin und her und summt dabei so ruhig vor sich hin, als wäre nichts geschehen.
Kristin atmet schwer in meinen Armen. Ich halte sie noch einen Augenblick, bis sie sich fasst und ruckartig aufrichtet. Sofort lasse ich sie
Weitere Kostenlose Bücher