Deine Seele in mir /
rote Bluse wäre doch perfekt für Julie, meint ihr nicht auch?«
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IV. Kapitel
D ie folgenden Tage verlaufen ohne weitere Zwischenfälle.
Auf dem Weg zur Praxis besuche ich die Kents, trage Julie die Treppe herab und setze mich ein wenig zu Kristin und Tom, dem es mittlerweile schon wesentlich besser geht. Immer wieder muss ich ihn ermahnen, liegen zu bleiben oder sich zumindest noch zu schonen.
In der Praxis erwarten mich zumeist einige Schmerzpatienten, Mrs Jordan und andere Stammpatienten. Und natürlich wartet Mary bereits ungeduldig auf ihren morgendlichen Schokoriegel, den sie sich nach dem üblichen Gezeter genüsslich einverleibt.
Kurzum – alles geht seinen gewohnten Gang. Julie bekommt dreimal wöchentlich eine Massage von mir. Abends, etwa eine halbe Stunde lang – und zwar exakt auf die gleiche Art und Weise, wie jeder andere Masseur es auch tun könnte. Zu mehr fehlt mir nach diesem verwirrenden Erlebnis einfach der Mut. Ich versuche gar nicht erst, mich noch einmal so tief in sie hineinzufühlen. Auch die Düfte, die ich – warum auch immer – mit ihr in Verbindung brachte, mische ich nicht mehr für sie, sondern verwende neutrales Basisöl.
Julies Reaktionen auf die Massagen sind immer dieselben. Zunächst entspannt sie sich, doch gegen Ende wird sie unruhiger und beginnt oft, eigenartige Laute von sich zu geben. Immer häufiger frage ich mich, ob sie mir etwas mitteilen möchte.
»Sie reagiert auf dich«, behauptet Kristin eines Abends, als Julie bereits in ihrem Zimmer ist und auch Tom schon leise schnarcht. »Jedes Mal, wenn du morgens gehst, wird ihr Schaukeln stärker. Wenn du die Tür hinter dir geschlossen hast, setzt sie sich ans Klavier und spielt stundenlang. Das ist eine Art neue Routine geworden, seitdem du da bist. Immer und immer wieder spielt sie diese kleine Melodie, die sie dir am Tag eurer ersten Begegnung vorgespielt hat. Als ob sie dieses Lied mit dir in Verbindung brächte. Julie scheint dich wirklich sehr zu mögen.«
Kristin drückt meine Hand. Tränen der Rührung glitzern in ihren Augen. »Ich bin dir so dankbar, Matt«, sagt sie mit einem Lächeln. Doch dann ändert sich ihr Gesichtsausdruck, und urplötzlich wirken ihre Augen skeptisch und prüfend. »Aber nun sag mir mal eins, mein Lieber. Warum sitzt du an einem Freitagabend neben einer älteren Frau wie mir, in einem abgelegenen Landhaus, mitten im Nichts, anstatt dich mit Freunden zu amüsieren? Ich frage mich die ganze Zeit schon, warum du das tust?«
Verlegen senke ich meinen Blick. So, wie sie das schildert, klingt mein Verhalten ziemlich erbärmlich. »Ich bin wohl nicht der Typ, mit dem man gerne einen draufmacht, befürchte ich. Keine Ahnung, ich denke ... ich bin einfach ... irgendwie ...
anders
als die anderen?«
»Ja, das bist du«, erwidert Kristin mit einem Blick, der nur als liebevoll zu beschreiben ist, und drückt meine Hand dabei. Das plötzliche Funkeln ihrer Augen spiegelt ihre spontane Idee schon wider, noch bevor sie den Gedanken ausspricht. »Wenn du nichts Besseres vorhast, dann komm Weihnachten doch zu uns, Matt. Oder feierst du mit deiner Familie?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein«, presse ich hastig hervor und entscheide mich gegen weitere Erklärungen. Wie immer hülle ich mich in eisernes Schweigen, was meine private Situation angeht. »Ich komme sehr gerne.«
Ich nicke und erhebe mich dann schnell zum Gehen. Kristins prüfender Blick entgeht mir nicht, doch für den Moment weiche ich ihm erfolgreich aus.
Nur wenige Tage später ist es endlich an der Zeit, über meinen Schatten zu springen.
»Mary, ich brauche dringend Ihre Hilfe«, gestehe ich.
Verlegen stehe ich mit einem Bestellkatalog in meinen Händen vor dem großen Tresen in der Praxis.
Mary schaut mit großen Augen zu mir auf. Ein Strahlen erobert ihr Gesicht und löst das süße Dauerlächeln ab, ohne das ich mir sie kaum noch vorstellen kann. »Aber sicher! Was darf ich denn für Sie tun?«, fragt sie fröhlich.
»Könnten Sie mir einige Anziehsachen ankreuzen, die Ihnen gefallen würden?« Ich strecke ihr den Katalog so ruckartig entgegen, dass er mir beinahe aus der Hand rutscht und ich mit der anderen nachfassen muss.
Mary, gütig wie immer, ignoriert meine Tollpatschigkeit. »Da draus? ... Gar keine!« Sie schüttelt den Kopf so heftig, dass ihre kurzen, hellblonden Locken nicht schnell genug mitkommen. »Den will ich nicht mal durchblättern.«
Das ist genau die Ehrlichkeit, die ich an Mary so
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