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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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kleine Gegenstände, die ihre tiefere Bedeutung nur für uns besaßen, und Bilder, die sie mir malte.
    »Was ist das?«, fragt Tom überrascht und nimmt ein mehrfach gefaltetes Blatt Papier zur Hand, das ein eigenartiges Wesen zeigt.
    »Oh!« Diese Erinnerung treibt mir ein Lächeln ins Gesicht. »Wir hatten dieses Spiel. Wir falteten zwei Blätter jeweils fünfmal und malten abwechselnd. Zuerst den Hut, dann falteten wir das Stück nach hinten und tauschten die Blätter. Der andere malte den Kopf und klappte ihn nach hinten, dann tauschten wir erneut. Und so weiter. Oberkörper, Unterkörper, Schuhe. Über die Ergebnisse lachten wir oft Tränen. Und dieses hier fand ich besonders gelungen.«
    »Ist es auch.« Tom lächelt zaghaft; das erste Mal an diesem Abend. Noch immer schaut er auf dieses eigentümliche Wesen, das halb Bodybuilder und halb Ballerina ist, bis sich sein Lächeln zu einem ausgereiften Grinsen gedehnt hat. Erleichtert registriere ich seine Entspannung.
    Kristin und er sind unglaublich neugierig. Jedes einzelne Teil nehmen sie in die Hände, drehen und wenden es, als würden sie nach einer geheimen Botschaft suchen. Zu jedem Gegenstand, zu jedem Steinchen, zu jedem Brief, zu jeder noch so kleinen Erinnerung wollen sie die komplette Geschichte erfahren. Bereitwillig erzähle ich ihnen alles.
    Wie könnte ich
kein
Verständnis für diesen Wissensdurst haben? Sie wühlen in der unbekannten Vergangenheit ihrer Tochter.
    Bis drei Uhr morgens sitzen wir so nebeneinander an dem großen Tisch und schlürfen einen Tee nach dem anderen.
    Ich verbringe Stunden damit, von Amy zu erzählen. Ich berichte von ihren Vorlieben und Abneigungen, von den Streichen, die wir gemeinsam spielten, und von der Art und Weise, wie sie zugleich weinen und lachen konnte, was mich immer faszinierte. Auch von ihrer grenzenlosen Phantasie und ihrem unbezwingbaren Optimismus, mit dem sie selbst den schlechtesten Begebenheiten noch etwas Gutes abgewinnen konnte, erzähle ich ausgiebig.
    Es sind Erinnerungen, die mich teilweise noch immer sehr schmerzen – obwohl unsere Geschichte gerade eine ungeahnte Wendung zu nehmen scheint. Die Möglichkeit dieser Wendung jedoch wirkt noch immer so irreal – so absolut undenkbar –, dass ich mir im Verlauf der Stunden immer wieder selbst vor Augen halten muss, warum ich all diese Erinnerungen an Amy so offen ausbreite. Mitten in meinen Schilderungen bemerke ich, dass ich wie ein begeisterter kleiner Junge klinge, der von seiner bewunderten Spielkameradin erzählt, die für ihn die oberste Priorität hat.
    Und genau
das
war Amy für mich immer gewesen. Mein Ein und Alles. Kristin und Tom saugen jedes meiner Worte in sich auf – begierig wie ein trockener Schwamm das Wasser.
    »So!« Schließlich faltet Tom auch das letzte Briefchen wieder zusammen und legt es zurück zu dem Sammelsurium meiner Erinnerungen. »Das war sehr spannend, aber wie hilft uns diese Sammlung nun weiter?«
    Eine berechtigte Frage, deren Antwort nicht mehr als eine hoffnungsträchtige Idee ist. »Na ja. Amy hat offensichtlich Schwierigkeiten, den Weg in unsere Welt zu finden«, erläutere ich zögerlich. »Sie scheint allerdings geringere Probleme damit zu haben, jemanden in ihre Welt hereinzulassen.«
    Ich lege eine gedankliche Pause ein, da ich mir erst klarmachen muss, wie ich meinen nächsten Gedanken so schonend wie möglich formulieren kann. Kristin und Tom blicken mich stumm an; sie warten geduldig.
    »Euch zu verletzen ist wirklich das Letzte, was ich will, aber ... ich bin bisher nun mal die einzige Schnittstelle zwischen Amys altem und ihrem neuen Leben und ... na ja ... auf
mich
reagiert sie.« Schnell fahre ich fort, um dem Kummer, den meine Worte mit sich bringen könnten, keine Zeit zu lassen, sich zu entfalten. »Vielleicht bringt es ja etwas, wenn wir ihr jetziges Leben ein wenig an ihr früheres angleichen. Es könnte doch sein, dass sie nach etwas Vertrautem sucht. Und diese Gegenstände könnten hilfreich sein, etwas Vertrautes für sie zu schaffen.«
    Ein neuer Hoffnungsschimmer streift die liebgewonnenen Gesichter und bringt ihre Augen zum Glühen.
    »Ja, das könnte funktionieren.« Tom nickt.
    Ermutigt von diesem plötzlichen Optimismus, fließen die Gedanken weiter von meinen Lippen. »Einige dieser Erinnerungen könnten wir in ihrem Zimmer unterbringen. Allerdings ...« Ich stocke.
    »Ja? ... Was? Sag es, Matt!«, fordert Kristin. Ihr Blick ist ernst und bestimmt; sie will die Wahrheit.
    »Amy

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