Deine Seele in mir /
um sie und atme ihren Duft ein. Amys Finger streichen über meinen Brustkorb; die Berührungen sind fast unerträglich sanft.
»Ich wusste, dass sich das Warten lohnen würde«, sagt sie leise.
Sofort erkenne ich den Satz aus meinem Traum.
Ich spüre, wie sich ihr Gesicht auf meiner Brust verzieht. Ihr Atem durchdringt den Stoff meines Pyjamas und trifft warm auf meinen Oberkörper.
Sie lächelt.
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XIV. Kapitel
M einst du, sie willigen doch noch ein?«
Ich wasche mir die Hände unter fast schon heißem Wasser. Amy sitzt an meinem Schreibtisch über einer Patientenabrechnung, die sie eigentlich ausfüllen wollte.
Der Duft von Kamille liegt noch in der Luft. Das letzte Öl, das ich verwendet habe. Bis zu meinem nächsten Termin bleiben mir nun wenige Minuten. Und die scheint Amy nutzen zu wollen.
Ohne ihre Frage zu beantworten, schaue ich auf und betrachte sie im Spiegel über meinem Waschbecken. Sie bemerkt meinen Blick nicht; grübelnd kaut sie auf ihrem Kugelschreiber herum.
»Füllst du bitte das Kamille-Duftöl nach.«
Amy erhebt sich sofort. Ihr Blick jedoch geht weiterhin ins Leere.
»Keine Ahnung«, gestehe ich endlich. »Lass ihnen die Zeit, um die sie gebeten haben. Ich weiß, du bist hibbelig. Dennoch müssen wir uns in Geduld üben, Amy. Nur noch ein wenig.«
Sie nickt, wenn auch widerwillig. Gedankenverloren blickt sie auf die beiden Flaschen in ihren Händen – die große volle und die kleine leere –, während ich den Raum durchquere und das Fenster öffne.
Geruch und Lärm der Straße dringen zu uns herein.
Abgase, tauende Schneepampe und Kaffee. Hupende Autos und diskutierende Menschen. Irgendwo weint ein Baby.
»Sieh mal, es ist so viel passiert in den letzten Wochen«, starte ich einen erneuten Versuch, Amy aus ihrer Melancholie zu reißen. »Das, was wir jetzt haben ...« Auf der Suche nach richtigen Worten schweift mein Blick zu ihren Händen. »Das ist genug.«
»Nein, es ist nicht genug!«, protestiert sie und sieht empört zu mir auf.
»Genug Öl«, erwidere ich ruhig, mit der Nase auf ihre Hände deutend.
Als Amy die Öllache um das kleine Fläschchen, welches sie hatte nachfüllen wollen, erfasst, pustet sie gegen ihre Ponysträhnen und verdreht die Augen. »Verdammt. Tut mir leid, Matt.«
»Schon gut.« Ich nehme die Flasche aus ihrer Hand und widerstehe der Versuchung, Amy einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Sie tut mir leid.
Gestern Abend hatte sie den ersten Streit mit ihren neuen Eltern. Und die haben die verbotene Karte ausgespielt.
Ich lasse die Szene im Geiste Revue passieren:
»Ich muss mit euch sprechen!«
Kristin und Tom halten sich gemeinsam im Wohnraum auf. Tom steht über dem Pergamentbogen einer neuen Bauzeichnung; mit Lineal und Minenbleistift zeichnet er wohlbedachte Linien und sieht dabei durch schmale Augen über den Rand seiner Brille hinweg. Kristin liegt auf der Couch und liest in einem Roman.
Eine noch recht neue, unbelastete Harmonie herrscht in den vier Wänden dieses Wohnraumes. Denn endlich – zum ersten Mal seit vielen Jahren – haben Tom und Kristin wieder die Möglichkeit, ein normales Paar zu sein.
Ein Ehepaar mit einer erwachsenen, selbständigen Tochter.
Und auch, wenn diese Freiheit anfangs noch ungewohnt gewesen war, so scheinen sie sich nun damit anzufreunden und sie in manchen Stunden sogar zu genießen.
Als Amy sie anspricht, erhellen sich ihre Gesichter.
Tom legt Lineal und Bleistift zur Seite, und auch Kristin trennt sich augenblicklich von ihrem Roman.
Sie plaziert ein Lesezeichen auf der entsprechenden Seite, klappt das Buch zu und erhebt sich. »Setzt euch, Kinder. Ich hole uns einen Tee.«
Wenige Minuten später kommt sie mit einem voll beladenen Tablett aus der Küche.
»Na, dann schießt mal los. Worum geht es denn?« Tom eröffnet das Gespräch, als alle Tassen gefüllt vor uns stehen und wir gemeinsam auf der bequemen Sitzgarnitur Platz genommen haben.
Amy atmet durch und sieht mich noch einmal bedeutungsvoll an. Dann sprudelt es nur so aus ihr hervor. »Wir wollen etwas mit euch besprechen. Ich weiß, dass es etwas ist, wovor euch womöglich graut, aber ... ich
muss
in meine alte Heimat fahren. Ich will meine Eltern besuchen und sehen, wie es um all die Menschen steht, die ich einmal kannte. Ich muss wissen, wie es ihnen geht. Die ganze Situation ist so irreal. Ich meine, irgendwo da draußen ist ein Grab, in dessen Stein mein Name gemeißelt wurde. Und dabei fühle ich mich gerade jetzt so lebendig
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