Deine Spuren im Sand
mein Wissen für eine Gelegenheit auf, in der es wirklich wertvoll ist. Heute zum Beispiel.«
»Wie Sie gerade selbst erwähnten, ist meine Beziehung zu Emily Funke vorbei. Weil Sie in Ihrer Schlagzeile etwas gebracht haben, was eigentlich nur ich wusste.«
»Und mein Informant«, ergänzte Röder. »Tut mir leid! Aber Sie erwarten nicht von mir, dass ich auf einen guten Titel verzichte, nur weil mein Fotograf sich verliebt hat?«
»Und selbstverständlich sind Sie nach wie vor nicht bereit, mir den Namen des Informanten zu verraten.«
»Kommen Sie mir jetzt nicht mit diesen Kinkerlitzchen!«, antwortete Piet Röder. »Ich will in den nächsten Tagen als Einziger im Titel den Aufenthaltsort von Emily Funke haben. Am besten Montag schon! Und ein Foto dazu! Kann ruhig ein bisschen verschwommen sein, Hauptsache, wir sind die Einzigen, die wissen, wo sie ist.«
Berno sah seinen Chefredakteur verblüfft an. »Wie kommen Sie darauf, dass ich weiß, wo sie sich aufhält?«
»Wenn Sie es nicht wissen, dann können Sie es sich denken. Sie kennen sie gut. Ihnen wird sie etwas von ihren Lieblingsplätzen erzählt haben. Von Menschen, denen sie vertraut. Sie kennen ihre Gewohnheiten, Sie wissen, wie sie reagiert, wenn sie mit dem Rücken an der Wand steht. Sie kennen vielleicht Namen von Verwandten oder guten alten Freunden, wo sie unterkriechen könnte.«
»Und die sollte ich Ihnen zutragen?« Berno sah seinen Chef fassungslos an. Piet Röder war ein durch und durch unmoralischer Mensch, der für eine gute Schlagzeile die eigene Großmutter verraten würde. Aber dass er wirklich glaubte, sein Fotograf würde Emily Funke ans Messer liefern, das konnte Berno nicht fassen. Nur mit großer Kraftanstrengung blieb er ruhig.
»Warum schicken Sie nicht Alex Traum los?«, fragte er. »Der ist dafür zuständig. Ich weiß nicht mehr als er.«
Röder machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der ist auf Sylt. Ich musste ihm ein paar Urlaubstage genehmigen. Sein Vater hat Geburtstag. Irgendwas Rundes. Siebzig oder so.«
»Auf Sylt?« Berno ärgerte sich über seinen Tonfall, wiederholte deshalb ruhig und mit leiser Stimme: »Auf Sylt?«
Piet Röder nickte. »Erstens kann ich ihn schlecht aus dem Urlaub zurückholen, zweitens will ich, dass er mir News von Promis mitbringt, die dort Urlaub machen, und drittens wissen Sie, was ich von Alex Traum halte. Nichts! Er ist ein lausiger Reporter, ich frage mich, warum ich ihn noch nicht gefeuert habe. Soll er ruhig auf Sylt bleiben, seinen alten Papa feiern und schauen, ob Reinhard Mey den Sommer in seinem Haus verbringt und Eric Clapton bei ihm zu Besuch ist.«
Berno hielt es nicht auf seinem Stuhl. Er ging zum Fenster und sah hinaus. Besser, er drehte Piet Röder den Rücken zu, solange er mit seinen Gefühlen zu kämpfen hatte. Alex Traum auf Sylt! Was hatte das zu bedeuten? Und welche Folgen würde das haben?
Langsam drehte er sich um und stellte fest, dass Piet Röder ihn aus zusammengekniffenen Augen beobachtete. »Also gut«, sagte Berno. »Ich glaube, ich weiß, wo sie ist.«
Piet Röder sprang auf. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass es so leicht sein würde. »Wo?«, stieß er hervor, und in seinen Augen stand der harte Glanz, der immer erschien, wenn er einer guten Story auf der Spur war. »Wo ist sie?«
Berno hielt seinem Blick stand. »Natürlich weiß ich es nicht wirklich. Es ist nur so … ich kann‘s mir vorstellen.«
»Also: wo?«
Berno schob sich an Piet Röder vorbei zur Tür. »Ich habe eine Idee … Sie hat mir mal was erzählt … Ich werde nachsehen, ob ich recht habe.«
»Sie wollen mir nicht sagen, wo sie sein könnte?«
Berno schüttelte den Kopf. »Das ist meine Bedingung.«
»Also gut, Kaiser! Aber Sie halten mich auf dem Laufenden!«
»Klar! Mache ich!«
»Und Sie fahren gleich los?«
»Den gepackten Koffer habe ich im Auto.«
»Wie lange brauchen Sie? Für die Fahrt, meine ich.«
Berno zog kurz die Mundwinkel herab. »Keine Fangfragen!«
Nun wurde der harte Glanz mit Anerkennung retouchiert. »Ich warte auf Ihren Anruf, Ihre Mail, Ihre Fotos! Am besten heute noch! Spätestens morgen! Und am besten alles auf einmal.«
5.
I n dem Leihwagen fühlte ich mich einigermaßen sicher. Von einem schlichten Dunkelblau war er, schwach motorisiert, ohne besondere Ausstattungsmerkmale. Ein Golf, wie er dutzendfach herumfuhr! Niemand schenkte ihm einen zweiten Blick. Erst recht nicht auf Sylt, wo das Porsche- und Hummer-Aufkommen wesentlich
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