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Deine Spuren im Sand

Deine Spuren im Sand

Titel: Deine Spuren im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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beschäftigen. Möglich aber auch, dass das Ambiente, das viel über das Preisniveau des Angebots verriet, mich abgeschreckt hatte, so dass dieses Geschäft nicht die Chance erhielt, sich mir einzuprägen. Wenn das so war, dann hatte ich recht daran getan, dieses Haus zu meiden. Teenager wurden hier vermutlich noch herablassender behandelt als eine Frau in billigen Jeans und verwaschener Kapuzenjacke.
    Die Dame, die auf mich zutrat, erkannte jedenfalls mit einem Blick, dass mit mir kein Geschäft zu machen, dass ich wohl nur versehentlich in ihren Laden geraten war. Ich strahlte sie dankbar an. Dafür, dass es in ihren kunstvoll bemalten Augen keinen Funken des Erkennens gab, durfte sie alles mit mir machen, was mich als Siebzehnjährige schwer gekränkt hätte.
    Als ich nach einer kosmetischen Grundausstattung fragte, also nach Tages-, Nacht- und Augencreme, nach Reinigungsmilch und Gesichtswasser, Augen-Make-up-Entferner, Bodylotion, Deo und Fußcreme, wies sie mich zögernd darauf hin, dass sie mir das alles nur im gehobenen Preissegment anbieten könne. Selbst, als ich mich einverstanden erklärte, behielt sie ihre zögerliche Haltung bei. Mit spitzen Fingern legte sie mir jeden gewünschten Artikel vor, aber auch immer erst, nachdem sie die preiswerteste Variante herausgesucht hatte. Jedes Mal, wenn sie den Preis nannte, obwohl ich nicht danach gefragt hatte, fügte sie mit einem entschuldigenden Lächeln an, dass das Produkt entweder sehr ergiebig sei oder aber außerordentlich wirksam. Als ich außerdem nach flüssigem Make-up, Terracotta-Puder, apricotfarbenem Rouge, Lipgloss, Lidschatten, Eyeliner und Wimperntusche fragte, erwähnte sie, dass es durchaus möglich sei, zunächst eine Zwischensumme zu errechnen. Ich lehnte jedoch ab, und da ich mit großer Sicherheit meine Wünsche vorbrachte und zu erkennen gab, dass ich mit sämtlichen Produkten bereits Erfahrungen hatte, wuchs ihr Vertrauen in meine Zahlungsfähigkeit allmählich. Vielleicht hatte sich ihr mittlerweile sogar der Verdacht aufgedrängt, dass meine Gucci-Tasche kein Plagiat war. So waren die vielen Proben, die sie am Schluss meines Einkaufs in eine exklusive kleine Tüte packte, wohl auch kein Akt der Mildtätigkeit, sondern der Bonus für eine besonders gute Kundin.
    »Sie zahlen mit Kreditkarte?«, fragte sie, während sie mich zur Kasse begleitete.
    Kreditkarte! Schlagartig wurde ich mir wieder meiner besonderen Lage bewusst. »Die habe ich zu Hause vergessen.«
    »Macht nichts! Die EC-Karte tut’s auch.«
    »Die habe ich auch vergessen.«
    »Dann zahlen Sie also bar?«
    Mit dem Inhalt meines Portemonnaies war ich schon an der Einfahrt zur Verladerampe in Niebüll gescheitert. Das bisschen Kleingeld, das ich bei mir hatte, reichte höchstens für einen Cappuccino bei Leysieffer, vielleicht noch für eine Zimtwaffel, aber für mehr nicht.
    Schon bewegte ich mich in Richtung Tür. »Ich besorge schnell Bargeld. Die Sparkasse ist ja gleich um die Ecke. Bin sofort wieder da!«
    »Aber für den Geldautomaten brauchen Sie auch eine EC-Karte!«, rief die Verkäuferin hinter mir her. Und damit hatte sie zweifellos recht.
    Da ich keine einleuchtende Antwort parat hatte, überhörte ich den Einwand und hastete auf die Friedrichstraße zurück. Möglich, dass es aus der Perspektive der Verkäuferin wie eine Flucht wirkte, aber das musste mir jetzt einfach egal sein.
    Ich atmete auf, als ich feststellte, dass die Sparkasse immer noch dort war, wo sie früher gewesen war, wenn auch in einem moderneren Gewand. Erleichtert lief ich auf den Eingang der Sparkasse zu und stieß die Tür so hektisch auf, dass ein älterer Herr sich gerade noch mit einem Sprung in Sicherheit bringen konnte, den er wahrscheinlich selbst nicht mehr im Spektrum seiner Reflexe vermutet hatte. Doch anstatt stolz auf seine frische Reaktionsfähigkeit zu sein, ärgerte er sich darüber, sie mal wieder unter Beweis stellen zu dürfen.
    Ich beachtete sein Protestgemurmel nicht, sondern schoss auf den einzigen Geldautomaten zu, vor dem niemand stand. Eilig tippte ich einen Geldbetrag ein, der ausgereicht hätte, die halbe Parfümerie zu erwerben, aber der Gedanke, unter den Augen der perfekt gestylten Verkäuferin mein Geld zusammenzukratzen, das dann doch nicht reichen würde, war so schrecklich, dass mir die Idee ausgesprochen gut tat, mich nachher auf dem Weg zur Kasse noch spontan für ein sündhaft teures Parfüm zu entscheiden.
    In aller Eile lief ich zurück, damit die

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