Deine Spuren im Sand
Bildzeitung anrufen, wenn ihr ein Verdacht käme, da war ich mir sicher.
»Evelyn, sag deinem Chef, er soll uns eine Runde Bommerlunder fertigmachen!«
Aha, also doch nicht seine Frau! Obwohl es mir eigentlich egal sein konnte, freute ich mich. Diese attraktive, dralle Person mit dem herausfordernden Gang und den flinken Augen hätte ich nicht gern an Maiks Seite gesehen.
Mit den Bommerlundern wurden am Nebentisch auch die Speisekarten serviert. »Was empfiehlst du uns? Was kann die neue Köchin besonders gut?«
»Alles«, antwortete die Kellnerin. »Sie kann genauso gut kochen wie Frau Wanner.«
»Auch die friesische Fischpfanne?«
»Auch die.«
»Also gut. Dann wollen wir es mal mit ihr versuchen! Schlimm genug, dass Maiks Frau jetzt für die Konkurrenz kocht. Kann ja nicht angehen, dass ihm nach der Ehefrau auch noch die Gäste untreu werden und ihn verlassen.«
Schlagartig fühlte ich mich sehr unwohl. So, als wäre mir etwas zugetuschelt worden, was mich nichts anging, was ich nicht wissen durfte, was Maik mir selbst hätte sagen müssen. Etwas Bedeutungsvolles, was seine Bedeutung in dem Augenblick verlor, als der Falsche es aussprach.
»Zahlen bitte!«
Ich wollte weg! Raus aus Maiks Augen, der nicht wusste, was ich soeben erfahren hatte. Wenn er es wenigstens mitangehört hätte! Wenn er gewusst hätte, was mir zugetragen worden war! Dann hätte er entscheiden können, ob sein nachdenklicher Blick angemessen war oder ob er seinen Gästen lieber abweisend, kühl oder traurig begegnen wollte. Er aber ahnte nicht, was ich gehört hatte, und leitete die Bestellung der Kellnerin gleichmütig an die Küche weiter. Und ich saß da wie ein Zaungast, der sich schämte.
Als ich zahlte, wurde sein Blick noch nachdenklicher. Und während ich der Kellnerin ein unangemessen hohes Trinkgeld gab, drehte er sich zu der Musikanlage um, die bis dahin still gewesen war. Vielleicht hatte ich Glück und konnte die Wattrose verlassen, ohne dass er mir einen Abschiedsgruß nachrief, ohne dass ich gezwungen war, ihn ein letztes Mal anzusehen. Und vor allem, ohne dass ich Angst vor dem Aufblitzen seiner Augen hatte!
Ich schloss die Jacke bis zum Kinn und hätte mir am liebsten auch noch die Kapuze über den Kopf gezogen, um unerkannt aus der Tür zu huschen, da kam aus dem Lautsprecher der Musikanlage: »Deine Spuren im Sand, die ich gestern noch fand, hat der Wind mitgenommen …«
Howard Carpendale, der eine Frage aussprach, die Maik sich nicht zu stellen traute? Er sah mich nicht an, sondern begann die Gläser zu spülen, die seine Kellnerin ihm hingestellt hatte. Und ich saß da, starrte auf seine Hände und fühlte, wie mir die Antwort auf Maiks Frage in die Augen stieg. Noch hatte ich nicht entschieden, ob ich sie einfach wegwischen oder die Wangen herunterlaufen lassen sollte, da öffnete sich die Tür der Wattrose , und ein Mann trat ein, den ich kannte …
7.
A ls er seine Hemden in den alten Schrank mit den knarrenden Türen hängte, warf Berno einen Blick aus dem Fenster und sah ihn. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Alex am Abend noch das Haus verlassen würde. Erwachsene Kinder, die ihre Eltern besuchten, widmeten ihnen den Abend, aßen mit ihnen etwas, was früher angeblich ihr Leibgericht gewesen war, tranken viel, um den Fettgehalt des Essens zu kompensieren, um ihre Cholesterinwerte zu vergessen und die Erinnerungen auszuhalten, die zu einem solchen Abend gehörten, obwohl sie alles andere als neu waren. So jedenfalls lief ein Abend bei Bernos Eltern ab, und er hatte angenommen, dass es Alex nicht anders ging. Doch der alte Traum war anscheinend toleranter als Bernos Vater. Der ließ nie zu, dass sein Sohn einen Besuch bei den Eltern für berufliche Zwecke nutzte. Für die beiden, die ihren Lebensabend auf Mallorca verbrachten, war es eine persönliche Beleidigung, wenn Berno mit der Kamera loszog, weil er gehört hatte, dass ein führender CDU-Politiker mit seiner Geliebten das Ferienhaus von Claudia Schiffer für seine Zwecke nutzen wollte. Alex’ Vater war da anscheinend anders. Wenn sein Sohn ihm erklärt hatte, dass der Chefredakteur den Urlaub nur unter der Bedingung bewilligt hatte, dass er Fotos von Promis mitbrachte, dann hatte er wohl Verständnis dafür.
Berno beobachtete, wie Alex die Haustür ins Schloss zog, dann fiel ihm auf, dass hinter den Fenstern kein Licht mehr brannte. Alex’ Vater war augenscheinlich nicht daheim. Berno seufzte auf und schob eilig die Schranktüren zu. Seine
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