Deine Spuren im Sand
Augenblick war günstig gewesen. Ich hatte die Wattrose gerade in dem Moment betreten, als Maik von einem Gast angesprochen und um etwas gebeten wurde, das sich unter der Theke befand. Er bückte sich und war exakt so lange verschwunden, bis ich meinen Platz an dem Tisch eingenommen hatte, der am weitesten von der Theke entfernt war. Das Restaurant war gut besucht, wenn ich mich klein machte, bestand die Chance, dass Maik mich gar nicht wahrnahm.
Niemand beachtete mich, nur am Nebentisch saßen drei Männer, die mich neugierig musterten. Unauffällig griff ich zu meiner Perücke und kontrollierte ihren Sitz. Doch dann merkte ich, dass sie zu denen gehörten, die jede Blondine anstarrten, wenn sie noch keine fünfzig und einigermaßen ansehnlich war. Dass die drei selber bereits die sechzig überschritten hatten und keiner von ihnen auch nur halbwegs ansehnlich war, spielte dabei natürlich keine Rolle.
Die Kellnerin, die an meinen Tisch trat, war eine andere Gefahr, das erkannte ich sofort. Möglich, dass sie mit ihrem scharfen Blick jede Frau bedachte, die das gleiche Alter und die gleiche Körbchengröße hatte, aber er war nicht nur bewertend, ihm schien auch nichts zu entgehen. Vor ihr musste ich mich in Acht nehmen, das spürte ich instinktiv.
»Was darf’s sein?«
Ihre Freundlichkeit ließ zu wünschen übrig. Ich musste sie im Auge behalten. Wenn sie in der nächsten Minute dem Wirt etwas ins Ohr tuschelte oder zum Telefonhörer griff, wurde es Zeit, die Wattrose zu verlassen.
Ich bestellte einen Tee und sah ihr besorgt nach, wie sie in der Küche verschwand. Es wäre mir lieber gewesen, sie hätte sich meinem Blick nicht entzogen. Ob sie in der Küche wirklich nur nach heißem Wasser und einem Teebeutel fragte?
In diesem Augenblick streifte mich Maiks Blick, wanderte weiter, zuckte zu mir zurück, ruhte für ein paar beunruhigende Augenblicke auf meinem Gesicht, dann wandte er sich wieder dem Gast zu, der vor der Theke stand. Erst als der abgefertigt war, sah er wieder zu mir, diesmal länger, aufmerksamer.
Ich versuchte, seinem Blick standzuhalten, aber es gelang mir nicht. Dass in meiner Handtasche mal wieder ein Hahn zu krähen begann, kam mir diesmal gut zupass. Eilig kramte ich mein Handy aus der Tasche, um es zum Schweigen zu bringen, dabei musste ich Maik nicht ansehen. Aber dass er mich währenddessen beobachtete, glaubte ich ganz sicher.
Babette! Ich nahm mir vor, sie so bald wie möglich anzurufen. Am besten noch während der Rückfahrt ins Hotel. Sie hatte ein paar aufmunternde Worte wirklich verdient und für mich vielleicht aufschlussreiche Informationen über den Stand meiner Verfolgung. Außerdem musste ich unbedingt mit ihr besprechen, wie die nahe Zukunft aussehen sollte. Das Konzert in München würde sie absagen müssen, auch wenn die Begründung noch so fadenscheinig ausfiel und die Konventionalstrafe hoch war, und sämtliche Interviewtermine und die nächste Talkshow ebenfalls. Ich musste abwarten, was der Prinz von und zu Salenburg plante und wie Konrad Kipps Rache aussah. Bevor ich nicht wusste, was mich erwartete, würde mich niemand zu Gesicht bekommen, und keine voreilige Stellungnahme sollte aus mir herausplatzen, ehe ich wusste, welche Folgen sie haben würde. Vermutlich würde Babette mir mit der Auflösung unseres Vertrages, später mit Selbstmord und am Ende sogar mit Mord drohen, aber ich war sicher, dass ich mich trotzdem auf sie verlassen konnte. Und das, obwohl ich nach wie vor nicht bereit war, ihr meinen Aufenthaltsort zu verraten.
Als dem Hahn das Krähen endlich im Halse stecken geblieben war, blickte ich wieder auf – und konnte gerade noch sehen, wie Maiks Augen von mir wegflogen. Warum hatte er mich beobachtet? Weil ich ihm gefiel? Weil er mich erkannt hatte? Oder weil ihm gefiel, dass ich eine entfernte Ähnlichkeit mit Emily Funke hatte?
Die Kellnerin servierte mir meinen Tee, dem ich mich unverzüglich und gründlich widmete. Ich süßte ihn gewissenhaft und rührte so lange in der Tasse herum, bis sich nicht nur der Kandis, sondern auch die Frage aufgelöst hatte, warum ich eigentlich hier saß. Okay, ich sah Maik wieder, doch was brachte es mir ein? Ich hatte bestätigt bekommen, dass er noch immer ein Mann war, der mir gefiel, aber zeigen durfte ich es ihm nicht. Wenn ich auch sicher war, dass er mich niemals verraten würde, so wusste ich doch nichts von seinen Lebensumständen. Vielleicht war diese Kellnerin seine Frau? Die würde sofort die
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