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Deine Spuren im Sand

Deine Spuren im Sand

Titel: Deine Spuren im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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noch in eine Richtung: nach unten! So schwer war diese Entscheidung, dass er sogar kurz erwog, seine Pläne aufzugeben, an das Schlafzimmerfenster des Wirtes zu klopfen und um Einlass zu bitten. Aber es war wirklich nur ein winziger Moment, in dem diese Aussicht weniger schrecklich erschien als sein tragisches Ende. Dann wieder war nichts schlimmer als der Verzicht auf sein Heldentum, und er löste auch seinen zweiten Fuß von der Balkonkante.
    Er hing! Welch entwürdigender Zustand! Dass ein hängender Mann noch tragikomischer war als einer, der hinter einem Fensterladen kauerte, hatte er vorher nicht bedacht. Er brauchte sich nur vorzustellen, welchen Anblick er bot, wenn Emily zufällig ans Fenster treten sollte, um in einer romantischen Anwallung den Nachthimmel zu betrachten, und stattdessen auf ihn aufmerksam wurde.
    Dieser Gedanke war grauenhaft. Und da seine Armmuskeln, die eigentlich gut trainiert waren, bereits verzweifelt um Unterstützung baten, entschloss er sich, sein Leiden nicht künstlich zu verlängern. Er streckte die Beine und Füße, damit der Abstand zum Boden so gering wie möglich war, dann schrie er nur ein ganz kleines bisschen und ließ sich fallen …
    Maik sprang aus dem Bett und knipste das Licht an. »Ist da etwa doch jemand auf dem Balkon?«
    Er war sich anscheinend noch immer nicht klar geworden, dass man sich anders zu verhalten hatte, wenn man mit einem Star mit Bett lag, den jeder kannte.
    »Mach das Licht sofort wieder aus«, herrschte ich ihn an. »Ich will nicht, dass morgen das ganze Land weiß, wie du nackt aussiehst.«
    Das wollte Maik zum Glück auch nicht. Erschrocken machte er das Licht wieder aus, stieg hastig in seine Boxershorts und zog sich ein T-Shirt über. Ich fand auf die Schnelle nichts anderes als einen Kimono, der mir nicht gehörte. Die Frage, was Maiks Frau sagen würde, wenn sie morgen ein Bild in der Zeitung sah, auf dem Emily Funke ihren Kimono trug, schob ich beiseite. Jetzt kam es nur darauf an, einen Sensationsreporter auf frischer Tat zu ertappen, ihm die Kamera abzunehmen oder ihn so lange zu ohrfeigen, bis er sie freiwillig herausgab. Und dann würde ich noch wissen wollen und es notfalls aus ihm herausprügeln, wie er mir auf die Schliche gekommen war. Hoffentlich war auf Maik in diesem Punkt Verlass. Ich wusste nur zu gut, dass er keiner Fliege etwas zuleide tat und vielleicht nicht auf die Schnelle zu der Ansicht kommen konnte, für die ich einige Jahre gebraucht hatte: Eine Fliege war nur lästig, ein Reporter die Pest!
    »Es ist niemand auf dem Balkon«, hörte ich Maik in diesem Augenblick sagen.
    Ich wagte es, mich an seine Seite zu stellen, obwohl ich wusste, wie gefährlich das war. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich mit einem Stein, den jemand geworfen hatte, aus der Deckung gelockt und dann zur Zielscheibe für so einen Schmierenreporter geworden war. Und dass ich jetzt kein Blitzlichtgewitter sah, hatte auch nichts zu bedeuten. Die heutigen Kameras kamen ganz gut ohne Blitzlicht aus.
    »Mir kam es so vor«, sagte Maik, »als wäre das Geräusch aus dem Hof gekommen.«
    Mein Entschluss, das Showgeschäft hinter mir zu lassen, machte mich leichtsinnig. Die Sensationspresse war mir plötzlich nicht mehr so wichtig, und an die Anwälte von Konrad Kipp und dem Prinzen von und zu Salenburg dachte ich nicht einmal. Ich trat ans Geländer und blickte in den Küchenhof hinab. Nichts! Wo konnte der Kerl sich versteckt haben? Ich tastete mit den Augen die Müllcontainer, die leeren Weinkisten und Bierfässer ab, aber ich konnte niemanden entdecken, der sich dahinter versteckte.
    »Sollten wir uns getäuscht haben?«, fragte Maik leise.
    Ich hätte gerne genickt, konnte so viel Optimismus aber nicht aufbringen. Unauffällig gab ich Maik ein Zeichen, dass es schlau war, sich zurückzuziehen, den Kerl in Sicherheit zu wiegen und heimlich, hinter einer Gardine verborgen, zu beobachten, was dann geschah.
    Maik verstand mich sofort, sagte laut »War wohl nichts!« und schob mich ins Zimmer zurück. Dann brauchten wir nicht lange zu warten, bis wir einen Mann sahen, der aufs Tor zuhumpelte, sich mühevoll daran hochzog und es mit großer Anstrengung überwand. Mir waren seine Bewegungen, sein Körperbau, seine Kopfform so vertraut, dass ich ihn trotz der Dunkelheit erkannte.
    Derart unvermittelt brach ich in Tränen aus, dass Maik zu Tode erschrak. »Was ist los, Emily?«
    »Das war Berno«, schluchzte ich. »Dieser Mistkerl! Anscheinend war er auf dem

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