Deine Spuren im Sand
kurzen Blick in sein leidendes Gesicht, dass hier ein Notfall vorlag. Frau Tornsen machte alles richtig. Und Berno verbannte mit Freuden den ganzen Groll, der sich seit seinem Einzug in seinem Herzen eingenistet hatte.
Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen und erkannte auf den ersten Blick, dass Berno dringend ärztlicher Hilfe bedurfte. »Wozu haben wir einen Arzt in der Nachbarschaft wohnen? Den kann man bei schwierigen Fällen auch sonntags aufsuchen. Obwohl er schon im Ruhestand ist!«
Berno war hochzufrieden, dass er ein schwieriger Fall genannt wurde, und hoffte, dass es Emily bald zu Ohren kommen würde.
»Aber zunächst brauchen Sie einen Kaffee!«
Auch da machte Frau Tornsen alles richtig. Sie war sogar drauf und dran, ihm die Tasse an den Mund zu führen, da fiel Berno gerade noch rechtzeitig ein, dass seine Hände nach wie vor voll funktionsfähig waren.
Dann wurde Herr Tornsen aus seiner Werkstatt gerufen, musste sich anhören, wie anstößig es war, sich am heiligen Sonntag dort herumzudrücken, und wurde aufgefordert, sich auf der Stelle um den kranken Feriengast zu kümmern. Herr Tornsen nickte wortlos, wie er vermutlich seit dreißig Jahren zu allem wortlos nickte, was seine Frau vorbrachte, dann wurde Berno von dem Ehepaar in die Mitte genommen und aus dem Hause geführt. Die beiden griffen unter seine Achseln, hoben ihn mühelos an und schleppten ihn durch den Vorgarten, trotz seiner verzweifelten Bemühungen, wenigstens gelegentlich sein rechtes Bein zur Erde zu bringen. Aber es wurde ihm nicht gestattet. Wo ein linkes Bein verletzt war, musste das rechte geschont werden, da es vermutlich in nächster Zukunft die doppelte Arbeit würde leisten müssen.
Als Berno begriff, wohin er verschleppt werden sollte, fing er aufgeregt an zu zappeln. Aber es war zu spät.
»Er scheint starke Schmerzen zu haben«, sagte Frau Tornsen zu ihrem Mann und griff noch fester zu, damit Berno Kaiser kein Bein an den Boden bekam.
Wenige Augenblicke später stand er vor der Tür von Dr. Traum. Und ehe Berno es verhindern konnte, hatte Frau Tornsen schon auf die Klingel gedrückt. Berno konnte nur hoffen, dass Alex noch schlief. Wenn nicht, würde er ihm erklären müssen, warum er auf Sylt war, wo doch in der Close up -Redaktion jeder wusste, dass Berno Kaiser in Süddeutschland Emily Funke jagte.
Das Erwachen war wunderschön. Die Nacht hatte einen Zweifel nach dem anderen verschluckt, sämtliche Enttäuschungen, alle unangenehmen Erinnerungen, und nur die guten in den Sonntagmorgen herübergerettet. Als ich auf die andere Seite des Bettes rutschte, war ich sicher, das Maik nicht mehr daran dachte, wie es in der Wattrose zugehen würde, wenn Emily Funke dort Fischsuppe kochte. Ich hatte auch meine Eltern und ihr Geheimnis vergessen, das sie mit ins Grab genommen hatten, und sogar Berno und seinen letzten allergrößten Verrat. Leider hatte ich auch vergessen, dass ich noch vor dem Einschlafen Babette angerufen und ihr auf die Mailbox gesprochen hatte. Sie wusste nun, dass mit mir nicht mehr zu rechnen war, dass das Showgeschäft demnächst ohne mich auskommen musste. Hätte ich danach mein Handy abgestellt, wäre nichts passiert, so aber unterbrach uns ein krähender Hahn im absolut falschen Moment.
Maik löste sich von mir. »Kann das was Wichtiges sein?«
Ich schüttelte den Kopf. »Was ist wichtiger als du?«
Aber ich merkte schnell, dass der Morgen uns alles wieder auflud, was wir in der Nacht versteckt hatten. Es würde uns nicht gelingen, erneut so zu tun, als wären wir allein auf der Welt und als hätte es die vergangenen zwanzig Jahre nicht gegeben. Also stand ich auf und verließ den Raum mit den Tanzschritten, die ich zu »Love is blind« eingeübt hatte und die mir sogar den Vergleich mit Michael Jacksons Moonwalk eingebracht hatten.
Ich ging ins Wohnzimmer, wo mein Handy neben meiner Perücke auf dem Tisch lag und immer noch krähte. »Es ist tatsächlich Babette!«
Ich blickte zurück, beobachtete, wie Maik sich die Bettdecke bis zum Kinn zog, und sah ein, dass Babette etwas zerrissen hatte, was nicht mehr zu flicken war.
Entsprechend ungnädig meldete ich mich. »Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
»Weißt du eigentlich, was du mir in der letzten Nacht auf die Mailbox gequatscht hast?«, kam es erbost zurück. »Ich kann nur hoffen, dass du betrunken warst.«
»Hör zu, Babette.« Ich sah mich nach etwas um, das ich mir überwerfen konnte, fand aber nichts, was dazu geeignet
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