Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
nicht.“ Er schaute sie herausfordernd an. „Wir suchen ganz andere Unterlagen.“ Er wartete, zehn Sekunden, zwanzig Sekunden, eine halbe Minute. Frau Dr. König hielt das Schweigen aus, was ihre Fähigkeit als gewiefte Kommunikatorin einmal mehr unter Beweis stellte.
Schliesslich seufzte sie und sagte: „Wenn Sie nicht präziser werden können, Herr Kommissar, dann haben Sie den Weg hierher umsonst gemacht. Ich muss wissen, worum es geht.“ Eine Falte hatte sich über ihren Augenbrauen gebildet und an ihrer rechten Schläfe pochte eine Ader; sie war nervös und auf der Hut.
Nick beschloss, sie zu erlösen und sagte, diesmal mit einem gewinnenden Lachen in der Stimme: „Frau König, es geht wirklich nur darum, nach privaten Unterlagen zu suchen, die nichts mit dem Steueramt zu tun haben. In der Wohnung des Toten fehlen gewisse Dinge, die jeder normale Mensch zuhause aufbewahrt, wie zum Beispiel Pass, Eheschein, Testament und ähnliches. Das sind die Sachen, wonach wir suchen, und sonst nichts.“ Er schaute ihr tief in die Augen. „Ehrenwort.“
Ihre Gesichtszüge entspannten sich etwas, aber Ärger und Nervosität waren immer noch spürbar. „Weiss Herr Kyburz, dass Sie beide hier sind?“ fragte sie.
„Ich habe diese Aktion selbstverständlich mit ihm abgesprochen und ihm das Versprechen gegeben, meine Nase nicht in geschäftliche Inhalte zu stecken.“ Er räusperte sich. „Darf ich Sie jetzt bitten, uns die Tür zum Büro von Herrn Matossi aufzuschliessen?“
Es war ihr anzusehen, wie ungern sie seiner Bitte nachkam, aber sie überwand sich und nahm einen Schlüssel aus der obersten Pultschublade. Am Ende des Korridors schloss sie die gewünschte Tür auf und liess Nick und Angela eintreten. Auf einen Knopfdruck gingen die Jalousien hoch, aber der Tag war so neblig-trüb, dass Angela auch noch die Deckenbeleuchtung einschaltete.
„Vielen Dank, Frau König. Wir bringen Ihnen den Schlüssel zurück, wenn wir hier fertig sind“, sagte die junge Polizistin und hielt die Türe auf. Sarah König zögerte eine Sekunde, dann drehte sie sich wortlos um und ging. Sie wusste, wann sie geschlagen war.
„Das war sehr elegant, auch wenn du gelogen hast“, sagte Angela. „Ich bin ganz sicher, dass sie jetzt gerade Gody Kyburz anruft und unsere Geschichte überprüft.“
„Harte Nüsse muss man mit dem Hammer öffnen“, entgegnete Nick trocken, „und ich habe nicht wirklich gelogen, sondern nur nicht die ganze Wahrheit gesagt. Also, lass uns beginnen. Wir suchen ein Handy, oder ein Notebook, oder dieses andere elektronische Ding“ – er machte eine vage Handbewegung – „aber vielleicht gibt es auch irgendetwas Anderes, wie zum Beispiel diese Strickjacke hier und diese Pantoffeln.“ Er hatte die einzige Schranktüre geöffnet, an der ein Schlüssel steckte.
„Pantoffeln, ich glaube es nicht!“ Angela schüttelte verständnislos den Kopf. „Ein Wunder, dass die Frau Generalsekretärin so etwas toleriert. Dass er sein Jackett gegen eine Strickjacke tauscht geht ja noch an, aber Pantoffeln ...“
„Was ist denn so schlimm daran, sich in der Abgeschiedenheit eines Einzelbüros bequem zu kleiden?“ wollte Nick wissen. „Es ist schliesslich mühsam genug, wenn man im Kontakt mit anderen Leuten Anzug und Krawatte tragen muss.“ Zweifelnd schaute er seine Mitarbeiterin an. „Bin ich auch jemand, bei dessen Kleiderstil du in Jammern ausbrichst?“
Angela neigte den Kopf und betrachtete ihren Chef von oben bis unten. „Nur noch sehr selten, zum Beispiel wenn du deinen alten schokoladebraunen Cordanzug trägst.“ Sie lächelte verschmitzt. „Dein Stil hat sich sehr positiv verändert, seit du mit Frau Manz zusammen bist, ehrlich. Ohne sie hättest du vermutlich auch eine alte graue Strickweste für die kalten Tage im Büro.“
Sie wandte sich ab und ging zum Schreibtisch an der anderen Wand. Darüber hing ein magnetisches Anschlagbrett mit einer Reihe von Papieren: ein Ferienplan der Abteilung, ein Schreiben von Dr. Sarah König an die Vorgesetzten des Departements, wonach die beantragten Lohnerhöhungen den Mitarbeitenden keinesfalls vor der Budgetsitzung des Grossen Rats eröffnet werden durften – 'eröffnet'? was für ein schreckliches Wort – ein säuberlich ausgeschnittenes Stelleninserat, eine Liste der internen Telefonnummern, Busfahrpläne. Angela hatte sich inzwischen auch Handschuhe übergezogen und zeigte Nick die Stellenanzeige. „Schau mal, das hat er aufbewahrt. Es ist das
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