Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
er würde sich wie vereinbart bei Hintermeister erkundigen, wie es Kurt Fritschi gehe, aber dann habe er genug getan für heute.
Angela bat um den Schlüssel zu Matossis Wohnung, sie wolle nach Diktierkassetten suchen. „Falls ich etwas finde, hat unser kriminaltechnischer Dienst sicher ein Abspielgerät.“
„Gut, und bitte vergesst vor lauter interessanten Spuren nicht, dass wir immer noch sowohl mit Selbstmord wie auch mit Mord rechnen müssen – also keine voreiligen Schlüsse. Ich widme mich jetzt dem Papierkram, bevor ich ins Finanzdepartement gehe.“
Zu allererst aber schrieb er eine SMS an Marina: 'Kann erst gegen acht bei dir sein, dringender Termin mit Chef FD. XXX' Er wusste, dass sie nicht enttäuscht sein würde, denn sie kannte seinen Beruf und die damit verbundenen ungeplanten Einsätze. Wahrscheinlich würde sie sich entscheiden, selbst etwas zu kochen und seine Portion warmzuhalten. Eine wunderbare Frau: tolerant, selbständig und unkompliziert.
*
„Die Lage muss ernst sein, wenn sich der Polizeikommandant persönlich für Sie einsetzt, Herr Baumgarten.“ Hansmartin Vögtli wirkte hellwach und frisch, obwohl er sicher einen langen Arbeitstag hinter sich und möglicherweise einen Anlass vor sich hatte. Nick fühlte sich einen Moment lang unwohl in seinem zerknitterten Hemd, auch weil Sarah König ebenso aus dem Ei gepellt war wie ihr Chef. Damit entstand ein subtiles Gefälle, ein Gefühl von 'oben' und 'unten', man gab dem Polizisten zu verstehen, welchen Platz er in dieser Hierarchie einnahm. Nun ja, es würde sich zeigen, wer am längeren Hebel sass.
„Ein ungeklärter Todesfall ist immer etwas Ernstes, Herr Vögtli. Sie wissen, dass wir an unserer Aufklärungsquote gemessen werden, und ich bin Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir helfen, die Hintergründe des Todes von Gion Matossi zu erhellen.“ Die Sache mit der Aufklärungsquote war ihm auf dem kurzen Fussmarsch ins Telli-Hochhaus eingefallen; er wusste, dass Finanzdirektor Vögtli in jeder seiner öffentlichen Reden den Ausdruck 'messbare Leistung' mehrmals erwähnte.
Jetzt lachte Vögtli. „Sie schlagen mich mit den eigenen Waffen, gut gemacht, Herr Baumgarten. Also, Ihr Vorgesetzter sprach von ein paar konkreten Fragen. Schiessen Sie los!“
„Gut. In den meisten Organisationen ist es üblich, dass komplexe, schwierige oder heikle Dossiers zur Chefsache erklärt werden. Gilt das auch für das Steueramt?“
„Das kommt drauf an“, antwortete Sarah König, „aber im Normalfall stimmt es.“
„Galt das auch für den Sektionsleiter juristische Personen, Gion Matossi?“ fragte Nick weiter.
„Ja, meistens.“ Wieder war es die Generalsekretärin, die antwortete. „Es kam allerdings vor, dass wir gewisse Dossiers sogar ganz oben ansiedelten, das heisst beim Chef des Steueramts.“
„Und dieser Posten ist seit einigen Monaten vakant, wenn ich mich richtig erinnere?“
Jetzt hakte Vögtli wieder ein. „Das ist richtig; deshalb kam es in letzter Zeit auch vor, dass ich mich selbst mit Steuerfällen befassen musste. Wie Sie richtig sagen, komplexe Fälle gehören in die oberste Etage der Organisation.“ Er rieb sich die Hände, wahrscheinlich vor Freude darüber, dass er selbst in der obersten Etage sass, dachte Nick. Dann ging er zum Angriff über.
„War das Dossier der Tomet AG in Wildegg auch bei Ihnen angesiedelt?“
Die Antwort liess eine oder zwei Sekunden auf sich warten, und Nicks Gesprächspartner tauschten einen Blick.
„Ja, das war es, und zwar in abgeschlossenem Zustand.“ Vögtli verschränkte seine Arme und lehnte sich im Stuhl zurück. Klare Körpersprache, dachte Nick, er will möglichst nichts mehr sagen.
„Was heisst das?“
„Ihr Chef hat uns versprochen, dass wir Ihre Fragen mit Ja oder Nein beantworten können, Herr Baumgarten.“ Ein ironisches Lächeln umspielte die Lippen von Sarah König. „Vielleicht könnten Sie sie entsprechend formulieren.“
Wie du willst, dachte Nick, ich bin mindestens so gut vorbereitet wie ihr zwei. Seine nächsten Fragen kamen wie aus der Pistole geschossen, ebenso die Antworten von Frau König.
„Hat Matossi ursprünglich das Dossier bearbeitet?“
„Ja.“
„Hat er Unregelmässigkeiten gefunden?“
„Ja.“
„Hat sich der Firmeninhaber bei Ihnen über Matossi beschwert?“
„Ja.“
„Haben Sie ihm deswegen das Dossier weggenommen?“
„Ja.“
„Haben Sie das Dossier aus politischen Rücksichten geschlossen?“
„Kein Kommentar.“ Diese
Weitere Kostenlose Bücher