Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
Gäste bei einer Dinnerparty, denen beim Smalltalk der Gesprächsstoff ausgegangen ist. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Die Leute vom Tierheim sagten mir, dass Juniors Mutter ein Backstein auf den Kopf gefallen ist, und ich vermute, dass er auch etwas davon abbekommen hat, weil er irgendwie nicht alle Tassen im Schrank hat. Das ist interessant, denn es macht ihn so lieb. Nicht lange, nachdem ich ihn hatte, verschwand er und wurde von einer anderen Katze, die im Souterrain wohnt, gefunden. Deren Besitzerin sagte mir, ihre Katze hätte ständig an der Tür des Abstellraums gekratzt, in dem Junior mehrere Tage lang festsaß. Es war ungefähr zur Zeit der Entführung von Elizabeth Smart, einem Mädchen aus Salt Lake City, das neun Monate lang verschwunden war. Als Junior wieder da ist, schickt Dad mir ein »künstlerisch bearbeitetes« Exemplar des Titelbilds der
Time
, mit dem wie durch ein Wunder entdeckten Teenager, mit dem Schleier, den sie hatte tragen müssen. Es ist ein Pop-up-Cover, von Dad konstruiert und mit einem aufgeklebten Schleier. Hebt man den an, sieht man nicht das Gesicht von Elizabeth Smart darunter, sondern ein Foto von Junior.
»Ich bin so froh, dass ich ihn wiederhabe«, sage ich zu Dr. R. »Ich wünschte, ich müsste nie mehr einen festen Freund haben, nie, nie mehr.«
Tja, die berühmten letzten Worte ...
14. Kapitel
Simon lerne ich bei einer Dachterrassenparty mit Barbecue in Manhattan kennen. Alle um uns herum sind schlagartig überflüssig. Ich schlendere über die Dachterrasse, betrachte den Sonnenuntergang und spüre genau, dass er mich beobachtet. Er verschüttet einen Klecks Guacamole auf meine weiße Jeans. Um ihm zu zeigen, dass es mir nichts ausmacht, greife ich mit der ganzen Hand in die Avocadosauce und schmiere mir das Zeug auf das ganze Hosenbein. Mum wird sagen, dass ich in der Zeit mit Simon total bescheuert war, aber ich glaube, dass es nur Vorkommnisse wie dieses waren, auf die sie ihre Theorie stützt.
»Ihr Mann ist wunderbar zu Kindern«, sagt ein anderer Partygast zu mir, als Simon, den ich gerade mal eine Stunde kenne, jemandem hilft, einen Buggy die Treppe hinunterzutragen. Ich schaue die Frau an und sage das meiner Meinung nach einzig Passende: »Oh, danke.«
Nach diesem Tag lassen wir uns quasi nicht mehr aus den Augen, obwohl wir aus beruflichen Gründen oft getrennt sind. Während ich meine Sachen mache, begräbt er seine Vergangenheit – allerdings lebendig. Simon ist kein Weißer, und er will nicht, dass ich weiß bin. Es ist Sommer, ich bin braungebrannt, und als wir uns trafen, hielt er mich für eine Latina. Ich lasse ihn in dem Glauben.
»Na und«, sage ich zu Dr. R, »das stört mich nicht.«
Doch als Simon merkt, dass ich keine Latina bin, gibt es ein Problem. Ich muss gebräunt bleiben, weil seine Freunde ihn sonst vielleicht schief ansehen würden, meint er. Nach unserer Trennung werde ich wieder blutleer und blass. Aber davor haben wir eine einjährige Fernbeziehung. Wir treffen uns einmal im Monat in L.A., normalerweise im Chateau Marmont. Wir waren verrückt nacheinander wie nach einer Droge. Am Telefon machte er immer ein Wahnsinnstheater, stieß Drohungen und Verwünschungen aus, trommelte sich auf die Brust. Dauernd war Krise, dauernd gab es Drama und Hysterie.
Wir wollten nur konsumieren und subsumieren, alles haben und alles wieder zerstören. Es war schrecklich. Er redete über den Quell der Schmerzen, den wir seiner Meinung nach teilten, und sagte, wie sehr er die Juden wegen der Greueltaten, die sie erleiden mussten, bewundert.
Wir ritzen zusammen, mehrmals. Manchmal geht
er
etwas zu weit, manchmal ich. Einmal ruft er Dr. R vom anderen Ende der Welt aus an. Ich sitze hinten im Wagen, als er Dr. R am Telefon hat. Ich begreife nicht ganz, wie. Dort ist es schon morgen. Oder gestern. »Mir helfen?«, frage ich pathetisch. Sauge mich durchs Telefon und spuck mich auf der East 94th Street wieder aus!
»Alles okay«, sagt er. Es klingt, als müsse er sich selbst davon überzeugen.
Zurück in New York, haben wir eine katastrophale Sitzung, in der sich die beiden Männer kennenlernen.
Ich erzähle, dass Simon am Vortag erst dann zu einem wichtigen Meeting ging, nachdem ich ihm versprochen hatte, nicht schwimmen zu gehen, solange er weg war. Er wollte nicht, dass andere Männer meinen »perfekten« Körper sehen. Das hat mich irritiert. Ich sagte ihm, dass ich diesen Körper nicht ewig haben würde, und deshalb dürfe er nicht so
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