Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
fixiert darauf sein.
Simon blickte zur Decke, schniefte und ließ seine Fingerknöchel knacken. »Da hast du mich missverstanden. Du hast Hängetitten und diese Dehnungsstreifen am Arsch. Damit wollte ich doch nur sagen, dass dein Körper für
mich
›perfekt‹ ist!«
Ich starre angestrengt auf den Teppich.
Dr. R fragt mich: »Alles okay mit Ihnen?« Doch ich bleibe ihm die Antwort schuldig.
Ich entschuldige mich und flüchte mich auf die Toilette. Dort flippe ich aus. Dann reiße ich mich wieder zusammen. Ich gehe zu Dr. Rs Sprechzimmer zurück und klopfe an die Tür. Dr. R streckt den Kopf heraus. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen.
»Simon soll gehen«, sage ich.
Simon geht. Ich kann ihm nicht ins Gesicht schauen, als er an mir vorbeigeht, doch selbst seine Füße sehen reumütig aus.
Ich setze mich wieder auf den Drehstuhl. Ich kann nicht aufblicken.
»Emma?«
Ich bleibe stumm.
»Emma?«
Solange ich den Teppich anstarre, habe ich mich nicht in diesen Schlamassel geritten mit diesem Mann, und dann liebe ich ihn nicht und habe nichts zu befürchten. Dann endlich ringe ich mich dazu durch, Dr. R anzuschauen. Ich sehe ihm an, dass er sich wünscht, er hätte Simons Gemeinheit nicht hören müssen.
Ich
habe ihn in diese peinliche Situation gebracht. Simon hat zwischen Dr. R und mir eine Art Wand errichtet. Dr. R holt tief Luft. Obwohl er keinen Ton sagt, höre ich ihn seine Häkchen machen, ohne es zu sehen. Endlich sagt er etwas.
»Das ist nicht gut.«
Das hat er noch nie gesagt. Er blickt zur Tür. Ich habe ihn schon tausend Mal gefragt, ob sie wirklich schalldicht ist. Doch nun sieht er hin, als könnte Simon uns hören. Simon merkt es, wenn ich lüge. »Ich erkenne den Rhythmus einer Lüge«, sagt er, und es stimmt.
»Ein sehr zorniger junger Mann.«
»Mhmm.«
Von Schluchzern geschüttelt, sage ich etwas höchst Überflüssiges. »Er kann mich total fertigmachen.«
»Genau deshalb hat er es gesagt. Er fühlte sich in die Enge getrieben und schlug einfach um sich.«
Ich höre Dr. R zu. Ich sage nichts, weil ich nicht sprechen kann, und folglich kann ich nur zuhören.
Ich verlasse die East 94th Street, gehe in mein Apartment zurück und mache mit Simon Schluss.
Fertig, aus, erledigt. Ich bin frei!
Zehn Tage später stelle ich fest, dass ich schwanger bin.
15. Kapitel
Immer wenn ich in einem der Cafés in West Village weine und Ginger Ale trinke, um meine schwangerschaftsbedingte Übelkeit zu bekämpfen, sehe ich Monica Lewinsky vor mir. Sie taucht wie ein Geist aus der Flasche vor mir auf. Es ist keine Halluzination. Sie tröstet mich nie, fragt mich aber nach Diättipps, als wir irgendwann ins Gespräch kommen. Sie tut mir echt leid. Am liebsten würde ich dem Präsidenten meinen G-String an den Kopf werfen! Verständlich ... Monica verkörpert die junge weibliche Sexualität und die Angst davor und verursacht tatsächlich beinahe den Untergang der westlichen Welt. Ich spüre einen Touch von Antisemitismus in Leitartikeln wie: »Himmel, warum ausgerechnet
die
?« Sie ist wie Glinda, die gute, traurige Hexe aus dem
Zauberer von Oz
.
Es gibt Opfer, nicht nur von Mördern wie Chandra Levy, sondern auch von Sex und Lust, von Liebe. Arme Monica.
Ich weiß noch, was ich anhatte, als ich Simon kennenlernte, und ich weiß auch noch, was ich anhatte, als ich das abtrieb, was unser Kind hätte werden können. Im ersten Fall eine weiße Jeans und ein bauchfreies Oberteil, goldene Ketten, Ringe, Armbänder und Armreifen. Ich hielt mich für eine JL o oder ein Gypsy-Girl, eine Zigeunerin, die ihre eigene Zukunft voraussagen konnte, dabei war ich nur die Emma von nebenan. Beim Gehen klimperte ich, aber nicht so laut, als dass ich seine Blicke nicht spüren konnte, die förmlich an mir klebten.
Im zweiten Fall machte ich mir auch viele Gedanken über mein Outfit und legte es am Vorabend zurecht, wie früher, als ich noch zur Schule ging. Als wäre ich meine eigene Mutter. Oder ein Echo, das aus einem parallelen Universum herüberhallt, wo ich die Mutter von jemandem war, die Beschützerin dieses Dings in meinem Bauch, das meinen Magen jeden Morgen von acht bis zehn Uhr in Aufruhr bringt und meine Brüste jeden Nachmittag von drei bis fünf Uhr schmerzen lässt. An jenem Herbstmorgen um neun Uhr früh zog ich meine alten Converse-Sneakers an, ein dünnes orangefarbenes T-Shirt, eine Jeans, einen Marc-Jacobs-Sweater mit Herzchen darauf – Liebe, Liebe, kindliche Liebe, die in unserem Fall nicht in
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