Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
auffallend für Mord«, lässt er mich wissen.
»Ich dachte, das betrifft nur Mäuse.«
»Schon, aber Mäuse sind so banal. Neuerdings stehe ich auf Eidechsen.«
In meiner Zeit mit Christopher mache ich eine große Dummheit. Christopher schwärmt immer so von seiner Exfreundin, dass ich irgendwann eifersüchtig werde. Ich mache sie schließlich sogar im Internet ausfindig und schreibe sie auf MySpace an, natürlich ohne ihr zu verraten, wieso. Wir freunden uns an und schreiben uns, bis ich total vergesse, wie es zu diesem Kontakt kam.
Als ich das nächste Mal in New York bei Dr. R bin, erzähle ich es ihm.
»Wir rufen jetzt Christopher an und Sie erzählen es ihm!«
»Wie
jetzt
? Sie meinen ... jetzt
gleich
?«
»Ja.«
»Nein!«
»Doch. Sie sagen es ihm, während Sie noch bei mir sind.«
Ich höre Christopher drüben an der anderen Küste tief Luft holen.
»Oh ... das ist aber echt sonderbar.« Er macht eine Pause, ehe er fortfährt: »Ich wusste schon, dass du sonderbar bist, als ich mich in dich verliebt habe. Aber ich will, dass du ihr die Wahrheit sagst. Es ist ihr gegenüber nicht fair.« Typisch Christopher.
Dr. R hüstelt ein paarmal, und nachdem ich aufgelegt habe, bekommt er einen richtigen Hustenanfall. Sobald er sich wieder beruhigt hat, verrate ich ihm ein Geheimnis, das ich seit einigen Monaten mit mir herumtrage.
»Dr. R, ich glaube, ich habe meine Kindheitsängste, dass meine Eltern sterben könnten, auf Sie übertragen. In letzter Zeit denke ich immer öfter, Sie könnten eines Tages sterben. Was hat das zu bedeuten?«
Er starrt mich verdutzt an, blickt dann auf seinen Notizblock.
»Es bedeutet gar nichts.« Dann sagt er, die Zeit sei um.
20. Kapitel
Zurück in Kalifornien, schreibe ich eine Entschuldigung an Christophers Ex und drücke auf SENDEN .
Es ist Abend, ich lehne mich zurück und sage mir: Das war echt krank von mir. Typisch Borderline, und das will ich doch gar nicht sein.
Borderliner sind das, was man allgemein als »böse« bezeichnet. Sie genießen es, anderen Leuten Probleme zu machen.
Die Ex antwortet, sie sei schockiert und irritiert und müsse das erstmal verdauen. Ich höre nie wieder von ihr. Sie entfernt mich von ihrer Freundesliste. Doch da denke ich plötzlich: Hey, ich verliere längst nicht mehr so oft Freunde wie früher.
Am nächsten Morgen ruft Mum an und erzählt mir von der einzigen Katze, die sie nicht leiden konnte.
»Es war in dem Haus, das wir in Edinburgh gemietet hatten, da war sie im Garten und sah haargenau wie eine Schlange aus.«
»Wie kann eine Katze wie eine Schlange aussehen?«
»Na ja, sie war sehr lang, ihr ganzer Leib war so dünn wie ihr Schwanz, und ein Fell hatte sie auch nicht.«
Am nächsten Tag kommt mir ein Gedanke, und ich rufe Mum an.
»Ist es nicht möglich, dass die Katze, die du in Edinburgh gesehen hast, vielleicht in Wirklichkeit eine Schlange war?«
Sie überlegt.
»Stimmt, vielleicht war es so.«
Es gibt immer noch kleinere Aussetzer in meinem häuslichen Glück mit Christopher. Zum Beispiel ein regelmäßiger Ausflug runter zum Laurel Canyon Country Store, um Lillys und Spikes speziellen Kaffee zu trinken. Als ich hinkomme, fällt mein Blick als Erstes am Anschlagbrett auf den Aushang eines achtjährigen Jungen, der auf einer Art Audition-Card halbnackt neben dem Poster eines entlaufenen Haustiers posiert. Auf dem Haustierzettel steht: »Unsere geliebte Schildkröte, Hokey Pokey, ist am Sonntag entlaufen. Sie hat sechzehn Jahre lang bei uns gelebt und ist etwa dreißig Zentimeter lang.« Der schlimmste Moment meines Lebens! Der Mann, der im Laden vor mir steht, hat eine schreckliche Frisur: die spärlichen Resthaare quer über die Glatze gekämmt! Der schlimmste Moment meines Lebens! In dem Sandwich, das ich kaufe, ist ein welkes Salatblatt. Der schlimmste Moment meines Lebens. Als ich nach Hause komme, weigert sich meine Katze, sich auf meinen Schoß zu setzen. Klar, dass sich die verdammte Katze weigert, sich auf meinen Schoß zu setzen! Es ist eine Katze! Und trotzdem! Der schlimmste ...
Christopher und ich leben weiterhin glücklich und zufrieden zusammen, schauen uns gemeinsam Filme an und entdecken in L.A. immer mal wieder günstige Lokale. Dreimal pro Woche gehen wir zu Singapore’s Banana Leaf im Farmers Market, bis sie anfangen, uns kostenlos Mangosaft zu servieren und auf einen Schlag auch kostenlose Reiswaffeln. Wir wandern zusammen durch den Fryman Canyon. Christopher marschiert mit nacktem
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