Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
mit dem Pinsel herumkleckse.
»Was machst du da?«
»Malen. Du hast es mir erlaubt.«
»Ja, aber von pink war nie die Rede, Emma! Du hast das verdammte Haus pink angemalt!«
Ich bin sauer und heule und habe Farbe an den Händen und in meiner jüdischen Afromähne, und der pinkfarbene Flur sieht in der Tat wie eine absurde Pepto-Bismol-Tablette aus.
» EMMA !«, schnaubt er und reißt sich dann zusammen. »Du kannst verdammt nochmal von Glück sagen, dass du gerade in einer depressiven Phase bist.«
Bestandsaufnahme – Songs, in denen es nicht um Liebe, Lust, Sehnsucht oder Verlust geht:
Neil Young:
Rockin’ in the Free World
. Das war’s auch schon. Das ist der einzige.
Ich habe ständig Migräne. Die Menge an Migränemitteln, die ich nehme, schränkt die Wirkung des Psychopharmakons ein. Ich brauche sie, damit ich nachts schlafen kann. Ich sehe mir
Synecdoche, New York
an und begreife nicht, warum Charlie Kaufman einen Film über GH und mich gedreht hat. Aha ... ich distanziere mich davon. Perfekte Bedingungen. Es ist fast der gleiche perfekte Aufruhr wie beim ersten Mal.
Ich schaue den blauen Himmel und die Bäume an und sehe überall Orte, an denen man sich aufhängen kann. Früher, von meinem Apartment in New York aus, sah ich nur Orte, von denen man sich stürzen konnte. Wo würde mein Körper landen? Welchen Ast würde ich mir aussuchen?
Gegen ein Uhr nachts höre ich ein lautes Plopp aus der Küche, schmutziges Abwasser quillt aus meiner Spüle. Es hört und hört nicht auf. Ich komme mir vor wie in
Amityville Horror
. Ich schöpfe wie eine Verrückte ab, doch das Wasser quillt weiter. Und es stinkt erbärmlich. Ich habe GH seine Hausschlüssel zurückgegeben. Sprachlos blicke ich mich in meiner Küche um. Scheiße, wohin das Auge fällt.
Ich schicke GH eine SMS . Damit er weiß, was passiert ist. Doch er bietet mir kein Plätzchen in seinem Paradies an. Er wünscht mir nur einen guten Klempner.
Kennen Sie zufällig den Film
Mulholland Drive – Straße der Finsternis
? Laura Harring und Naomi Watts treffen sich, verlieben sich ineinander und gehen in den Club Silencio, wo sie weinen, als sie die wunderbare Sängerin hören. Anschließend gehen sie nach Hause, und als Naomi kurz aus dem Zimmer geht, um etwas zu holen, und dann zurückkommt, ist die Frau, mit der sie Sex hatte, weg. Sie ist einfach gegangen. Und Naomis Leben wird zu einem total anderen Film. So fühlt es sich an.
Während ich mit meinem iPod spazieren gehe, rollt der Song
Raglan Road
den Laurel Canyon herunter: »That I had loved not as I should / a creature made of clay.«
Als ich eines Tages auf meinem üblichen Hügel spazieren gehe, treffe ich den Katzenretter. Er küsst mich, und ich fange an zu weinen. Doch das stört ihn kein bisschen.
»Ähm ... mein Therapeut ist gestorben, und der Mann, der mit mir eine Familie gründen wollte, ist eines Tages aufgewacht und hat mir erklärt, dass es aus ist.«
»Du hast zu viel Energie. Das hat ihn überfordert.«
»Nett von dir, aber das glaube ich nicht.«
Er fährt mit einem Finger an meinem Schenkel hoch, unter meinen Rock und in meinen Slip.
Dabei sieht er mir in die Augen und sagt: »Was ich gerade tue, hat nichts mit Sex zu tun.«
»Irgendwie doch, weil dein Finger gerade in mir steckt«, sage ich, als würde ich bei einer Quizshow eine Antwort geben.
»Nein, ich versuche nur, deinen Energiestrom umzuleiten.«
Ich schiebe ihn von mir weg.
»Ich weiß, dass du mir mit diesem Finger-Fuck am Highway eine Freude machen willst. Aber ... das hilft mir eigentlich gar nicht.«
In jener unruhigen Nacht träume ich, dass Bob Dylan als Nebenbeschäftigung Abtreibungen macht. Ich bin mit Pearl schwanger, und GH will nicht, dass ich abtreiben lasse. Doch wenn Bob es tut, denke ich mir, wird GH abgelenkt sein und ihm jede Menge Fragen stellen wie: »Wie war es, als du mit Emmylou Harris ›One More Cup of Coffee‹ gesungen hast?« Und es klappt. Bob Dylan kann die Abtreibung vornehmen.
33. Kapitel
Wahlabend 2008.
Auf jedem Fernseher ist dieser attraktive Mann zu sehen, der seine Frau vergöttert und uns immer wieder erklärt, dass er ohne sie nicht hier stünde. Wo immer ich in meinem Trennungsschmerz auch hinschaue, sehe ich » HOFFNUNG «. Die Kühnheit der Hoffnung. Die Dummheit der Hoffnung. Den Irrglauben der Hoffnung. Hier nun die Wahrheit: Hoffnung ist im Großen und Ganzen keine besonders gute Strategie. Ich beginne, an die Kühnheit der Verzweiflung zu denken. Bin ich
Weitere Kostenlose Bücher