Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
schreiben, weil ich nicht weiß, wie lange ich noch durchhalte.
Er hält meine Hand nun mit beiden Händen fest. Am Ärmel seiner Jacke klebt ein Stück Lachs.
»Emma, du bist nur sehr, sehr traurig. Und das zu Recht.«
Alles, was er nie für mich sein konnte, als wir »zusammen« waren, macht er an diesem Abend tausendfach wieder gut.
Ich liebe ihn und er liebt mich, und es ist mir egal, mit wem er zusammen ist, ich will, dass es ihm gut geht, und ihm ist es egal, mit wem ich zusammen bin, er will, dass es mir gut geht. Wenn man ihr etwas Zeit gibt, kann die Liebe die erstaunlichsten Formen annehmen. Ich sage zu ihm:
»Dr. R würde rückwärts vom Stuhl fallen, wenn er wüsste, dass du mein Rettungsanker bist. Du warst so gefährlich! Es machte ihm Angst, was du an Unheil anrichten könntest. Ich sagte, dass du eben
hot
bist. Und weißt du, was er daraufhin gesagt hat? ›Ja, so hot wie Kokain-Crack.‹«
Er lacht und hält sich die Hände vors Gesicht. Als er den Kopf wieder hebt, lacht er noch immer.
Und das ist der Beweis, dass Distanz alles verändern kann, etwas Dekoratives in etwas Heilendes verwandelt, und das ist so ähnlich wie wenn man beobachtet, wie aus einer Schneekugel eine Wärmflasche wird.
Er fährt mich bis vor meine Tür und wartet, bis ich den Schüssel für das Sicherheitsschloss herausgekramt habe, das GH installieren ließ.
Über den Anblick, der sich mir im Inneren bot, kann ich heute lachen, damals nicht. Ich konnte das T-Shirt mit GH s Liebesschwüren verstecken wo ich wollte, Junior stöberte es jedes Mal auf, zerrte es aus seinem Versteck und rieb sich daran. So auch an diesem Abend. Kurz entschlossen nehme ich es ihm zum letzten Mal weg, stopfe es in zwei Mülltüten und verstaue sie ganz unten im Wäschekorb, vor dem Junior aus irgendwelchen Gründen Angst hat.
Ich glaube, schon damals, als GH mich mit Tränen in den Augen fragte, ob er mir gehöre, hat er gewusst, was er tun würde, was er tun musste, und er hat schon damals um uns getrauert. Er hat die ganze Zeit um uns getrauert, so wie ich jetzt um Dr. R trauere.
Aber diese Erkenntnis hilft mir nicht weiter.
Spät am nächsten Abend sage ich zu dem Mann, der meine Katze gerettet hat, als er meine Bluse aufknöpft: »Ich möchte sterben.« Ich schaue ihm in die Augen, als er den Reißverschluss meiner Jeans öffnet, und sage es noch einmal: »Ich möchte nur noch sterben.« Er denkt, ich spiele eine Rolle. Er legt mir die Hände um den Hals und drückt zu. Fest.
Ich schließe mich mit meinem BlackBerry ins Bad ein, wie in der Nacht, als GH mich verließ, und frage mich, ob er kommen und mich retten würde, wenn ich ihn anriefe. Ich starre seine Nummer an. Bitte komm und hol mich hier raus. Bitte wirf diesen Mann hinaus. Und ich weiß, dass er, wenn ich ihn anrufe ... nicht mal drangehen würde.
Deshalb gehe ich in mein Schlafzimmer zurück und lasse es zu, dass der Mann mir erneut die Hände um den Hals legt und leicht zudrückt. Das bin nicht ich. Aber ich bin da. Also muss ich es doch sein. Seine Daumen drücken gegen meine Kehle. Ich frage mich, ob er es wirklich darauf ankommen lässt.
34. Kapitel
Seit GH fort ist, fühle ich mich wie eine Rentnerin, die am Telefon ihre gesamten Ersparnisse weggegeben hat. Und das ist die Crux: Ich habe mein Leben lang an niemanden so sehr geglaubt wie an ihn. Ich schäme mich unendlich.
Junior, mein Samttiger, streift an meinem Bein vorbei und geht zielstrebig in meinen großen Kleiderschrank, um eines seiner drei täglichen Nickerchen zu halten. Ich gehe ins Badezimmer, nehme mein Pillenfläschchen und folge ihm, ganz nach hinten in den Schrank, wo uns keiner findet. Junior kuschelt sich in die Ecke. Ich nehme drei Pillen, dann nochmal zwei.
Ich zähle ab, wie viele Pillen ich noch habe. Mehr als genug. Dann kommt diese komische Anwandlung – wie neulich schon –, als ich Kopfschmerzen hatte und mir überlegte, ob ich wirklich zwei nehmen soll; blieben mir dann noch genügend, um mich umzubringen?
Ich bin fast zweiunddreißig. Wenn ich es nochmal mache, muss es klappen. Wenn es nicht klappt, werde ich vermutlich aus diesem Häuschen ausziehen müssen. Mein Konto ist in den Miesen, nirgends ist es so schön wie hier, und meine Katzen fühlen sich wohl.
Kein Abschiedsbrief. Es gibt nichts mehr zu sagen.
Junior legt sich auf meine Brust. Ich hatte gehofft, dass eine meiner Katzen das tut. Ich will nicht allein sein, wenn ich gehe.
Ganz hinten im Schrank, in den ich mich
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