Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
vor ihr auf. Besucherstraße. Überall Leute. Manche starrten sie an. Sie wich ihren Blicken aus und suchte nach Schildern. Wo ging es raus? Zu den Stationen. Zum Parkplatz. Ausgang Max-Lebsche-Platz. U-Bahn. U-Bahn klang gut. Diesem Hinweis folgte sie.
Die Turnschuhe waren innen noch feucht. Ihre nackten Füße fanden keinen Halt. Bei jedem Schritt rutschten sie hin und her. Sie versuchte, sich mit den Zehen festzukrallen, so gut es ging. In den klammen Klamotten wurde ihr kalt. Gleichzeitig brach ihr der Schweiß aus allen Poren. Wieder wurde ihr schwindlig. Funken tanzten vor ihren Augen. Gleich würde sie zusammenklappen. Eine Bank. Sie wankte darauf zu und setzte sich. Alles drehte sich. Nur nicht auffallen. Langsam und tief atmen.
Die Leute liefen vorbei. Die meisten beachteten sie nicht. Nur manche starrten sie an, wie eine besonders widerliche Spinne in einem Terrarium. Fasziniert und angeekelt. Neugierig und erschrocken. Weiter hinten bei den Rolltreppen entdeckte Anjela einen Wachmann, der langsam in ihre Richtung kam. Noch hatte er sie nicht entdeckt. Sie stand auf. Ein scharfer Schmerz fuhr durch ihren Schädel, schien ihn spalten zu wollen. Schwankend ging sie weiter. Die Leute wichen ihr aus. Das Shirt klebte kalt auf ihrer Haut. Ihr Atem ging stoßweise. Ein Schritt. Einatmen. Ein Schritt. Ausatmen. Schweiß perlte auf ihrer Stirn, sammelte sich zwischen den Brüsten und lief den Rücken hinab. Einatmen. Ein Schritt. Ausatmen. Der nächste. In ihrem Schädel tobte ein wildes Tier. Schlangen wanden sich um ihre Beine, wollten sie zu Fall bringen. Frische Luft. Raus. Sie musste raus. Da! Eine Tür. Sie hielt darauf zu. Sie öffnete sich wie von Zauberhand. Wankend trat sie ins Freie. Ein grauer Himmel. Vereinzelte Schneeflocken. Alles schwankte, wankte, drehte sich. Dunkle Schleier. Nur nicht zusammenklappen. Sie musste sich setzen. Auf den Boden. Besser, als zu stürzen. Ihr Rücken fand irgendwo Halt. Eine Frau mit Kind eilte vorbei. Sieh nicht hin. Eine Pennerin. Total besoffen.
Wo war sie? Ein Parkplatz lag vor ihr. Sie lehnte am kalten Blech eines Lieferwagens. Sie musste hier weg. Zur U-Bahn. Einen Moment noch. Bis es besserging. Sie schloss die Augen, spürte die Kälte in ihren Beinen aufsteigen.
Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie den Mann auf sich zukommen. Adrenalin jagte durch ihren Körper wie ein Stromschlag. Das war er! Anjela sprang auf. Zu schnell. Die Welt fuhr Karussell. Das Ungeheuer in ihrem Schädel brüllte. Weg! Sie musste weg! Doch er hatte sie schon gesehen. Lächelte. Hinter ihm der Eingang zur U-Bahn-Station. Fünfzig Meter, vielleicht sechzig. Ein Auto parkte aus. Er sah es auch. Vor Zeugen konnte er ihr nichts tun. Sie wankte an ihm vorbei. Er hinter ihr her. Sie ging schneller, musste das Auto erreichen, den Fahrer stoppen. Er musste ihr helfen. Die Füße rutschten in den Schuhen. Sie stolperte. Knallte hin. Mit dem Gesicht auf den Boden. Ein brennender Schmerz. Es war vorbei. Er hatte sie. Schreien. Sie musste schreien. Es wurde nur ein Krächzen. Das Auto fuhr vom Parkplatz.
»Geht es Ihnen nicht gut?« Anjela sah auf. Eine Frau beugte sich über sie. »Kann ich Ihnen helfen?«
Der Himmel hatte sie ihr geschickt. Ein rettender Engel, der ihr nun die Hand reichte. Anjela rappelte sich auf und sah sich um. Der Mann wartete einige Meter entfernt.
»Sie bluten ja.«
Tatsächlich. Die Wange war aufgeschürft. Blut blieb an Anjelas Fingern kleben. »Ist nur Kratzer. Nicht schlimm.«
Der Engel kramte ein Papiertaschentuch aus seiner Handtasche und reichte es ihr. »Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
»Können mich begleiten zur U-Bahn?«
»Nicht besser in die Klinik, zum Arzt?« Sie wies auf das Gebäude hinter Anjela. Kurz erwog sie die Flucht zurück ins Krankenhaus. Doch dort wartete Dr. Borchert, der bestimmt schon die Polizei informiert hatte. »Ich Medikamente zu Hause. Muss nehmen, dann alles gut.«
»Haben Sie es weit? Wo wohnen Sie denn?«
Sollte sie es sagen? »In Harthof.«
Ein Lächeln erschien. »Ich wohne in der Nähe. Es wäre für mich kein großer Umweg. Wissen Sie was? Ich bringe Sie nach Hause. Das ist besser. Sie sind viel zu wacklig auf den Beinen, um U-Bahn zu fahren. Entschuldigen Sie meine offenen Worte, aber so, wie Sie aussehen, wird Ihnen niemand helfen, wenn Sie umkippen.« In der Hand hielt sie bereits den Autoschlüssel.
»Wenn ist kein Problem für Sie.«
»Ach was. Ich habe hier gerade ein paar Unterlagen geholt und bin
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