Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
berichtete vom Selbstmord einer Beschuldigten im Sommer. Sie hatte einen Mord begangen, ihr Mann war dahintergekommen und wollte die Tat auf sich nehmen. Er hatte sich mit der Tatwaffe erschossen. Der letzte Satz seines Abschiedsbriefs lautete: Ich habe alles falsch gemacht . Mit eben diesen Worten hatte die Beschuldigte ihr Geständnis beendet und gebeten, in die Zelle zurückgebracht zu werden. Gerstner war einer der beiden Kollegen gewesen, die sie abholten. Dühnfort hatte auf die bestehende Suizidgefahr hingewiesen. Man sollte die Frau nicht eine Sekunde aus den Augen lassen. Keine drei Minuten später war sie tot gewesen, aus einem Fenster gesprungen, das in dieser heißen Sommernacht offen gestanden hatte. Was nicht passiert wäre, wenn man ihr Handschellen angelegt oder sie wenigstens in die Mitte genommen hätte. Doch Gerstner hatte einen privaten Anruf erhalten und war zurückgeblieben, da sein Handy schlechten Empfang hatte und er befürchtete, das Gespräch zu verlieren. Erst in der folgenden Untersuchung des Vorfalls war die volle Wahrheit ans Licht gekommen. Denn das Telefonat hatte Gerstner zunächst wohlweislich verschwiegen. Die Folgen für ihn waren die Aussetzung einer anstehenden Beförderung und der damit verbundenen höheren Besoldungsstufe. »Er war wütend auf mich, denn ich konnte seinen Partner überzeugen, mit der Wahrheit über den Anruf herauszurücken.«
Mit einem bedächtigen Nicken legte Potthoff die verschränkten Hände auf den Tisch. Eine abwehrende Geste. »Ich verstehe. Wir werden eine sorgfältige Ermittlung durchführen. Zunächst werden wir weitere Zeugen suchen. Können Sie jemanden benennen?«
Dühnfort überlegte. Am Ende waren zwar ein halbes Dutzend Kollegen oder mehr im Raum gewesen, doch ob einer von ihnen beobachtet hatte, wie die Auseinandersetzung begonnen hatte, wusste er nicht. Man musste sie befragen. Er nannte Potthoff die Namen.
»Wäre gut, wenn wir jemanden finden, der Ihre Angaben bestätigen kann.«
»Natürlich wäre das gut. Aber mir fällt niemand ein. Am Ende steht möglicherweise Aussage gegen Aussage.«
»Das nicht. Katja Behringer hat Gerstner. Mit ihm habe ich schon gesprochen.«
Eine ungute Ahnung stieg in Dühnfort auf. »Und? Er hat sich doch sicher in Widersprüche verwickelt.«
»Er klang sehr überzeugend. Seine Angaben decken sich mit denen von Frau Behringer.«
»Das gibt es nicht. Er kam erst dazu, als wir zu Boden gingen. Was behauptet er denn?«
Potthoffs buschige Brauen stiegen in die Höhe. »Die Tür zum Vernehmungsraum stand offen. Richtig?«
Dühnfort bestätigte das.
»Gerstner war auf dem Weg zum Lift, als er vorbeikam. Er sah Sie mit Frau Behringer in der Nähe des Fensters stehen. Sie bedrängten die Frau, endlich ihr Gewissen zu erleichtern und den Mord zu gestehen. Dabei wurden Sie laut und schlugen Frau Behringer schließlich gegen die linke Schulter. Sie wehrte sich. Daraufhin verpassten Sie ihr eine Ohrfeige … «
»Was?«
»… und warfen sie brutal zu Boden.«
»Das ist von hinten bis vorne gelogen.«
»Wir haben nur das Problem, dass Frau Behringer dasselbe aussagt.«
Wann hatten die beiden sich abgesprochen? Es konnte nur gestern Nacht passiert sein. Nach der Operation. Gerstner musste sich als tief bestürzter Freund oder Verwandter ausgegeben haben, um zu dieser Zeit zu einer frisch operierten Patientin vorgelassen zu werden. Dieser Mistkerl. »Fragen Sie im Krankenhaus nach, wann Gerstner gestern Nacht Frau Behringer besucht hat. Dann wissen Sie, wann die beiden sich abgesprochen haben.«
»Unvoreingenommen. Unparteiisch«, wiederholte Potthoff sein Credo. »Wie wir vorgehen, überlassen Sie mal besser uns. Außerdem werden wir die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die beiden sich nicht absprechen mussten.«
»Sie denken, dass ich lüge?« Dühnfort erkannte im selben Moment, welch lächerliche Figur er machte. Doch die Frage war raus. Wie oft hatte er sie schon gehört? Und wie oft hatte sie sich bewahrheitet?
Ein wissendes Lächeln war Potthoffs Antwort. »Vertrauen Sie einfach darauf, dass wir unsere Arbeit richtig machen. Eines noch, bevor Sie gehen. Es wird das Beste sein, wenn Sie den Fall Ruge abgeben.«
Nicht so kurz vorm Ziel. »Vergessen Sie’s.« Dühnfort stand auf.
»Das war eigentlich kein Vorschlag.«
»Ich denke nicht, dass Sie die Kompetenz haben, mir einen Fall zu entziehen.«
Als Dühnfort im Aufzug nach unten fuhr, kochte er vor Zorn. Den Fall abgeben. Träum weiter. Er
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