Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Reich schien unberührt. Es bestand aus einem großen Raum mit Kochnische und einer Schlafecke hinter einem Paravent. Der Schreibtisch mit PC hatte seinen Platz vor dem Sprossenfenster. Daneben, in der Ecke, waren Sessel und Couch untergebracht und der alte Röhrenfernseher, der auf dem einzigen wertvollen Stück stand, das sie besaß, einer Kirschholzkommode. Vor der Wand befand sich der Kachelofen mit dem Korb voll Briketts und Holz. Alles war an seinem Platz. Eine Welle von Erleichterung spülte die Anspannung fort. Vermutlich hatte sie vergessen abzusperren. Sie schloss die Tür, hängte den Mantel auf den Bügel und setzte sich an den Schreibtisch, um am Lektorat eines historischen Romans weiterzuarbeiten. Dabei bemerkte sie, dass eine Schublade nicht richtig zu war. Sie zog sie auf. Stifte, Radiergummi und Lineale lagen wild durcheinandergewirbelt.
Es war doch jemand hier gewesen!
Plötzlich drang das leise Brausen des Straßenverkehrs lauter herein. Ein kalter Luftzug streifte sie. Die Tür fiel ins Schloss. Clara rannte nach vorne und riss sie auf. Ein Schatten verschwand im Durchgang zur Straße. Weg war er. Ihr Herz raste. Nach Luft ringend starrte sie in den Hof. Wo war der Kerl so plötzlich hergekommen?
Die Tür zum Bad stand offen. Als sie die Wohnung betreten hatte, war sie zu gewesen. Sie musste ihn überrascht haben, und er hatte sich im Bad versteckt! Clara sah sich um. Was sollte man hier schon klauen? Der PC stand an seinem Platz. Fernseher und Radio ebenfalls. Uralte Geräte, für die man auf dem Flohmarkt keine fünf Euro bekommen würde. Ihre Füße wurden kalt. Sie zog die Schublade der Kommode auf, um Socken herauszuholen, und fuhr zusammen. Ihre Wäsche war durchwühlt worden. Auch die anderen Schubladen hatte der Einbrecher durchsucht. Wonach denn, um Himmels willen? Nach ausgeleierten Socken? Nach Schmuck und Geld natürlich!
Mit bebenden Fingern schob Clara die Schiebetür des Kleiderschranks auf. Der Stapel mit Pullis und T-Shirts war verrutscht. Die kleine Schmuckschatulle, die sie dahinter versteckt hatte, lag obenauf.
Mutters Ring, die schmale Goldkette, die Paps ihr zum achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte, und die Uhr von Hannes zum zehnten Hochzeitstag. Die Erinnerungsstücke ihres Lebens. Sie wollte es nicht wissen und zögerte den Moment hinaus, bis sie den Deckel öffnete, darauf gefasst, dass alles weg war. Doch es fehlte nichts.
7
»Er erwartet dich.« Marion Höffken wies auf die Tür zu Heigls Büro. »Seine Laune ist nicht die beste, wie du dir denken kannst.«
»Die Medien sind also schon im Bilde.« Obwohl Dühnfort nichts anderes erwartet hatte, wunderte ihn der frühe Zeitpunkt. Katja Behringer musste gestern tatsächlich noch Hof gehalten haben.
»Bei der Pressestelle laufen die Telefone heiß. Also Kopf hoch. Da musst du jetzt durch.« Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Er klopfte an und trat ein. Heigl saß hinter seinem Schreibtisch, auf dem sich Akten, Zeitungen und zahllose Fachbücher türmten. Die Ärmel des weißen Hemds waren aufgekrempelt, die dezent gemusterte Krawatte gelockert. Es sah aus, als arbeite sich sein Vorgesetzter bereits seit Stunden für Recht und Ordnung auf.
»Guten Morgen, Tino. Setz dich.« Sein Gesicht wirkte heute kantiger und sein Blick klarer und entschlossener als sonst. Ärger spiegelte sich darin und der Wille, den Ruf der Polizei zu verteidigen. »Die Presse hat sich schon darauf gestürzt. Wir gehen also in die Offensive. Für vierzehn Uhr habe ich eine Pressekonferenz angesetzt.« Er zog den Krawattenknoten noch ein Stück weiter auf. »Wir nehmen dich aus der Schusslinie. Du wirst nicht dabei sein.«
»Ist mir recht.« Dühnfort mochte diese Veranstaltungen im Allgemeinen nicht. Heute im Besonderen. Die Aussicht, sich vor Journalisten, die sich ihre Meinung ohnehin schon gebildet hatten, gegen eine haltlose Anschuldigung zu verteidigen, war absurd. Wobei sich die Medien vermutlich in zwei Lager spalten würden. Katja Behringers Hofmacht, die Boulevardzeitungen und einige private Fernsehsender, sahen in der Wettermoderatorin, die gerne mal ein bisschen mehr zeigte und für das eine oder andere Auflage bringende Skandälchen gut war, eine unschuldig Verfolgte. Für sie passte der prügelnde Ermittler perfekt ins Bild. Eine Steilvorlage, die man besser nicht groß hinterfragte. Daneben gab es einige seriöse Blätter, die grundsätzlich ihre Themen kritisch beleuchteten und das hoffentlich auch in diesem Fall
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