Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Dame und lächelte Dühnfort freundlich an. Nicht zu unverbindlich, um herablassend zu wirken, nicht zu strahlend, um aufdringlich zu sein. Sie fragte ihn nach seinen Wünschen. Er wies sich aus und zog Ruges Foto aus dem Kuvert. »Können Sie sich an diesen Mann erinnern?«
Sie betrachtete das Bild. Wieder lächelte sie. »Ja. Natürlich.«
12
Am späten Nachmittag kehrte Kirsten Tessmann ins Präsidium zurück. Ein seltenes Lächeln deutete sich in ihren Mundwinkeln an. Sie marschierte am Lift vorbei. Die Absätze der hochhackigen Stiefel klackerten auf dem Steinboden. Zügig nahm sie die Treppen in die dritte Etage und betrat das Büro, das sie mit ihrem Kollegen Alois Fünfanger teilte. Er war nicht da, obwohl das Gespräch mit dem Taxifahrer eigentlich längst erledigt sein musste. Vermutlich verband er wieder einmal Berufliches mit Privatem und traf sich rasch auf einen Latte mit einer seiner zahlreichen Bekanntschaften. Vielleicht erweiterte er auch den Fanclub und baggerte irgendwo eine Schönheit an. Kirsten verstand nicht, was sie an ihm fanden. Er sah zwar gut aus, aber er hatte Machoallüren und war nur fürs Unverbindliche zu haben. Merkten diese Frauen nicht, dass er lediglich auf ein schnelles Abenteuer, bestenfalls auf eine oberflächliche Beziehung aus war? Doch das war nicht ihr Problem. Sollte er ruhig weiter Kerben in seine Bettpfosten schnitzen. So hatte Tinos Freundin Gina die Jäger- und Sammlerleidenschaft von Alois einmal bezeichnet. Sehr treffend.
Kirsten schlüpfte aus dem Mantel und setzte sich an den Schreibtisch. Gut, dass sie heute diesem Hinweis auf die Party nachgegangen war. Es hatte sich gelohnt. Sie rief Oliver Tolksdorff an und vergewisserte sich, dass seine Mandantin, die sie bereits zu einem Gespräch einbestellt hatte, nicht alleine hier erscheinen würde. Auch wenn Kirsten ein Gespräch ohne Anwalt lieber gewesen wäre. Ihre Strategie stand. Sie würde sich langsam an den wesentlichen Punkt vorarbeiten, so weit, dass die Behringer nicht mehr zurück konnte und keinen blassen Schimmer hatte, was eigentlich los war, und dann würde sie ihre Trumpfkarte ziehen.
Tolksdorff war bereits im Bilde, fragte allerdings, worum es bei dem Gespräch gehen sollte. »Peanuts. Es sind nur noch einige Kleinigkeiten zu klären. Alles muss eben seine Ordnung haben. Sie kennen das ja.«
Kirsten verabschiedete sich. Die Behringer war ein berechnendes Miststück. Sie würde keine Möglichkeit zu einer weiteren Showeinlage bekommen. Sagenhaft, wie sie Tino in die Falle hatte laufen lassen. Das war von instinktiver Kaltblütigkeit gewesen. Sie hatte nur diese eine Chance gehabt, als sie fünf Minuten mit ihm allein war, und die hatte sie genutzt. Wobei Tino nicht ganz schuldlos war. Er hatte völlig falsch reagiert.
Etliche Mails waren eingegangen. Die meisten waren dienstlich. Als Kirsten eine Nachricht ihrer Tochter entdeckte, legte sich ein kalter Klumpen in ihren Magen. Eine Mischung aus Ärger und Angst stieg in ihr auf, obwohl sie noch gar nicht wusste, was Kathrin wollte. Sie vermied jeden Kontakt und meldete sich nur, wenn es gar nicht anders ging. Daher musste Kirsten wahrlich nicht über hellseherische Fähigkeiten verfügen, um zu wissen, dass Streit bevorstand. Eine Kraftprobe. Wieder einmal. Diesmal musste sie den Sieg davontragen. Den Sieg über eine Dreizehnjährige. Ein bitteres Lachen wollte aufsteigen. Doch es blieb ihr im Hals stecken.
Mit beiden Händen strich sie die Haare straff aus dem Gesicht. Immer nur Streit, immer nur Kampf. Jeder Besuch, jedes Telefonat, jede Mail. Eine Zeitlang hatte sie es mit Briefen versucht, doch Kathi schickte sie ungeöffnet zurück. Als Hannelore ihr dann in ihrer steilen Handschrift, die all ihre Arroganz ausdrückte, mitgeteilt hatte, dass Kathi sich durch Kirstens Briefe belästigt fühlte, hatte sie fürs Erste aufgegeben. Nur nicht weiter Öl ins Feuer kippen. Abwarten, bis die Wogen sich geglättet hatten. Sie wünscht keinen Kontakt zu dir. Akzeptiere das, und belästige sie nicht weiter, sonst werden wir ein Kontaktverbot gegen dich erwirken. Ein Kontaktverbot. Unglaublich. Doch ihre Schwiegermutter hatte das wirklich geschrieben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du aus purem Egoismus den endgültigen Bruch zwischen euch herbeiführen willst.
Von einem Punkt der Halswirbelsäule ausgehend, begann der Schmerz sich auszubreiten. Wieder einmal. Rasend schnell stieg er über den Nacken hoch und setzte sich in der linken
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