Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Schädelhälfte fest. Kirsten holte das Plastikröhrchen mit den Tabletten aus der Handtasche und spülte eine mit dem Rest Kaffee hinunter, der noch vom Vormittag auf ihrem Schreibtisch stand. Dann klickte sie auf die Mail.
Lanzarote kannst du knicken. Ich bin nicht deine Leibeigene, die du nach Belieben verschleppen kannst. ICH WILL MIT DIR NICHTS ZU TUN HABEN !!! Kapier das endlich!!!
Kirstens Hände wurden kalt. Sie presste die Kiefer aufeinander, bis die Zähne knirschten. Okay, Lady! Kein Bitten, kein Betteln mehr. Dann Krieg!
Ganz wie du willst. Ab sofort gelten neue Spielregeln: Du hast die Wahl zwischen Ferien auf Lanzarote mit mir und einem Schulwechsel. Wenn du nicht mitkommst, melde ich dich im Internat ab und an einer Münchener Schule an. Dann wirst du ab Dezember bei mir wohnen.
Kirsten schickte die Mail los und versuchte den pochenden Schmerz in ihrem Kopf zu ignorieren. Doch es gelang ihr nicht. Sie schluckte eine weitere Tablette und schloss die Augen. Ihr Puls jagte. Vor Wut und Ärger. Nein, vor Angst. Entspann dich, ermahnte sie sich. Du musst um sie kämpfen, sonst wirst du sie ganz verlieren, und Kampf ist immer mit Angst vor einer Niederlage verbunden. Doch du wirst siegen. Du musst.
Plötzlich spürte sie wieder seinen Arm, mit dem er sie im Klammergriff hielt, die Wärme seines Körpers, der sich an ihren presste, die Mündung der Heckler & Koch, die sich in ihre Schläfe bohrte, das leises Klicken des Abzugs, nasse Wärme, die sich zwischen ihren Beinen ausbreitete.
Keuchend riss sie die Augen auf. Alles war gut! Alles war gut!
»Kirsten? Fühlst du dich nicht wohl?«
Sie fuhr herum. Tino war unbemerkt eingetreten. Vermutlich hatte er geklopft wie meistens, und sie hatte es nicht gehört. »Ja, klar. Nur Kopfschmerzen.« Mit einem Handgriff schob sie die Tabletten zurück in die Handtasche und sammelte sich. »Einen Punkt auf der Liste mit offenen Fragen können wir abhaken.«
Obwohl sie diese Ermittlung nun leitete, erstattete sie ihrem Vorgesetzten Bericht und erzählte, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Manuel Ruge war im Sommer, wie bekannt, aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und hatte sich in Sendling in einer Anlage mit zehn Parteien ein Apartment gemietet. Man hatte ihn zum kurz darauf stattfindenden jährlichen Sommerfest der Mieter eingeladen. »Er ist in Begleitung von Katja Behringer gekommen. Irgendwann gab es Trubel. Ein Kind war von einer Biene gestochen worden. Die Eltern machten einen riesigen Wirbel darum. Als alle sich beruhigt hatten, drehte sich das Gespräch plötzlich um Allergien, und Ruge hat seine Geschichte beigesteuert.« Ein zufriedenes Lächeln erschien. »Und rate mal, wer neben ihm stand? Katja Behringer. Dafür habe ich zwei Zeugen, die das schon zu Protokoll gegeben haben und ihre Aussage auch beschwören würden. Behringers Behauptung, von der Allergie nichts gewusst zu haben, kann sie also vergessen. Jetzt kriegen wir sie.«
»Sehr schön. Ich weiß nämlich, was Ruge in der Stunde zwischen fünf und sechs getan hat. Wir … « Er unterbrach und korrigierte sich. »Du solltest sie zur Vernehmung vorladen.« Einen Moment wirkte er verärgert. Doch dann glättete sich seine Miene wieder. Er musste sich seiner Sache sicher sein.
Sie mochte seine Art, an einen Fall heranzugehen, auch wenn sie mit ihm nicht warm wurde. Er war meist sachlich, kühl und distanziert. Vermutlich lag das an seiner hanseatischen Erziehung. Kirsten sah auf die Uhr. »Habe ich bereits. Sie kommt in einer halben Stunde in Begleitung ihres Anwalts. Du hast also noch genügend Zeit, mich auf den aktuellen Stand zu bringen.«
13
Kirsten betrat den Vernehmungsraum um zehn vor vier. Zuerst testete sie das Mikro, bevor sie es auf die andere Tischseite schob, wo in zehn Minuten Katja Behringer Platz nehmen würde. Es funktionierte einwandfrei. Im Raum hinter dem Venezianischen Spiegel saß Tino.
»Lulle sie ein«, hatte er ihr empfohlen. »Wiege sie in Sicherheit, und dann schlag zu, wenn sie sich mit ihrer Aussage festgelegt hat.«
»Was mache ich, wenn sie ihn nicht trägt?«
»Sie trägt ihn. Ganz sicher. Er ist das Symbol ihres Triumphs über die verhasste Nebenbuhlerin.«
Kirsten war sich nicht so sicher, ob Katja Behringer so leichtsinnig war. Notfalls musste sie sich etwas einfallen lassen.
In Gedanken ging sie die Fakten noch einmal durch, schlüpfte in ihre Rolle und sammelte sich. Als pünktlich um vier Oliver Tolksdorff die Tür für Katja Behringer aufhielt,
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