Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
anzunehmen. Herzschwäche, ein Tod im Schlaf, und schon wurde auf dem Totenschein das Kreuzchen an der falschen Stelle gemacht.
20
Kurz nachdem die Kollegen für die Befragung der Nachbarschaft gekommen waren, tauchte Kirsten auf. Sie wirkte abgehetzt. Dühnfort fragte, weshalb sie sich nicht abgemeldet hatte, was sie überraschte. »Ich habe dir eine Mail geschrieben, dass ich mich für zwei Stunden ausklinke. Es war ja nur Papierkram zu erledigen. Hast du sie nicht bekommen?«
»Ich war unterwegs. Ein Anruf hätte genügt.«
»Ich wusste nicht, dass du nicht im Präsidium bist.«
»Ist mit Kathi alles in Ordnung?«
Sie schob die Sonnenbrille ins Haar. »Der übliche Pubertätsstress.«
Offenbar wollte sie nicht darüber reden. Da er selbst keine Kinder hatte, fehlte ihm jegliche Erfahrung auf diesem Gebiet. Erfahrungen, die er gerne machen würde. Langsam wurde es Zeit.
»Wenn du es genau wissen willst, sie hat geklaut und eine Mitschülerin geschlagen, einzig und allein, um Hausarrest zu bekommen.«
»Warum will sie denn Hausarrest?«
»Um nicht mit mir in Urlaub zu müssen. Sie macht mich für den Tod ihres Vaters verantwortlich. Anscheinend glaubt sie … « Kirsten winkte ab und sah sich um. »Lassen wir das. Womit haben wir es hier zu tun?«
»Sie denkt, du hättest ihn erschossen?«
»Meine Schwiegereltern haben ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt. Ich komme gar nicht mehr an sie heran. Den Urlaub habe ich einfach gebucht und sie vor vollendete Tatsachen gestellt. Doch sie will nicht mit. Sie will nicht mit mir reden. Sie will die Wahrheit nicht kennen. Ich bin das böse Weib, das ihren geliebten Papa erschossen hat. Und dann habe ich sie auch noch erpresst. Urlaub oder Internat. Wenn sie nicht mitkommt, muss sie zu mir ziehen. Pädagogisch nicht sehr wertvoll, ich weiß. Kein Wunder, dass sie ausgeflippt ist.«
Dühnfort war schockiert. Kirsten hatte von ihrem Mann die Scheidung verlangt, woraufhin er sie mit ihrer Dienstwaffe als Geisel genommen und gedroht hatte, sie zu erschießen. Das SEK war angerückt und mit ihm ein Psychologe, anscheinend keine Koryphäe auf seinem Gebiet. Denn am Ende einer langen Nacht glaubte Martin sich in eine ausweglose Lage manövriert zu haben und zog die Konsequenz. Er erschoss sich. »Soll ich mal mit Kathi reden?«
Kirsten umfasste ihre Oberarme. »Danke fürs Angebot. Aber sie wird nicht auf dich hören. Du gehörst ja auch zu den Bullenschweinen .« Sie seufzte. »Es war ein verdammter, riesengroßer Fehler, ihrem Wunsch nachzugeben und sie ins Internat zu stecken. Und ich werde ihn korrigieren. Wenn sie nicht mitkommt, melde ich sie ab. Dann wird sie in Zukunft bei mir wohnen und hier zur Schule gehen. Jedenfalls habe ich die Schulleiterin davon überzeugen können, wie wichtig diese Reise ist. Kathi darf das Internat in den Ferien verlassen.« Für einen Augenblick erschien die Andeutung eines Lächelns, das sich sofort wieder verlor. »Also, was soll ich übernehmen und worum geht es überhaupt?«
Er brachte sie auf den aktuellen Stand und bat sie, die Befragung der Hausbewohner und der Nachbarschaft zu leiten. Wem war etwas aufgefallen? Eine fremde Person im Haus, ungewöhnliche Geräusche, hatte jemand die Putzfrau Elena kommen oder gehen sehen? Wer hatte Emily Dreher an diesem Tag getroffen und wann? Kirsten machte sich an die Arbeit.
Dühnfort kehrte ins Schlafzimmer zurück. Weshalb hatten Apfel und Trauben in Emilys Händen gelegen, wie Insignien einer Herrscherin? Die Vorhänge waren noch immer zugezogen. Alle Lampen brannten. Wie aufgebahrt hatte die Leiche im Bett ausgesehen. Feierlich, erhaben, die Erbärmlichkeit und Absolutheit des Todes überdeckend. Der Tod einer Königin, einer machtvollen Frau, das hatte er gedacht, als er den Apfel in ihrer Hand sah, wie einen Reichsapfel, Kleinod der Kaiser und Könige.
Ein Fall vor zwei Jahren kam ihm in Erinnerung. Eine enthauptete Leiche in einer Brauerei, daneben ein Schmetterling, der nicht zufällig dort lag, wie er vermutete. Eine Spur führte damals in die Kunstszene. Deshalb hatte er sich ein Fachbuch über die Symbolik der Natur in der Kunst gekauft und herausgefunden, dass Schmetterlinge als Symbol für die Seelen der Toten galten. Eine Art Entschuldigung, die der Täter damals hinterlassen hatte.
Er rief Kirsten an. »Ich will etwas überprüfen und bin für eine halbe Stunde weg. Wenn es Neuigkeiten gibt: Ich bin auf dem Handy erreichbar.«
Wie nicht anders zu erwarten, fand er auch in der
Weitere Kostenlose Bücher