Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
ein, mit dem sie sich die Tränen weggetupft hatte, und stand auf. Nach einem kurzen Rundgang war das geklärt. Nichts fehlte. Raubmord konnten sie ausschließen.
»Wann haben Sie Ihre Mutter das letzte Mal gesehen?«
Mit der Hand fuhr sich Elisabeth Dreher über die Stirn. »Vorgestern Mittag. Wir waren in der Stadt einkaufen und haben im Café Luitpold einen Tee getrunken. Danach habe ich sie heimgebracht. Gestern Abend habe ich kurz mit ihr telefoniert, gegen halb acht. Mutter wollte eine Fernsehserie sehen, deshalb hat das Gespräch nicht lange gedauert. Sie war gut gelaunt, was bei ihr eher selten vorkam. Sie hat sogar Elena gelobt.«
»Wer ist Elena?«
»Ihre Putzfrau. Mutter kann man eigentlich so gut wie nie etwas recht machen. Doch Elena hat es geschafft.«
»Sie war gestern hier zum Putzen? Wann genau?«
»Von halb vier bis halb sieben. Das ist die vereinbarte Zeit. Sie war pünktlich, hat Mutter gesagt.«
»Ich brauche den vollständigen Namen und ihre Adresse.«
Ihr Blick wich aus. Eine Hand verfing sich im Seidenschal und drehte ihn zusammen. »Es tut mir leid. Ich kenne nur den Vornamen, und ich habe auch keine Anschrift von Elena.« Es klang schuldbewusst. »Ich weiß, das ist nicht korrekt. Aber Elena wollte nur schwarzarbeiten. Meine Mutter hat alle Putzfrauen rausgeekelt. Keine hat es lange bei ihr ausgehalten. Elena war schon die siebte oder achte. Ich war froh, dass sie das machen wollte, und habe nicht nachgefragt.«
Dühnfort gefiel das ganz und gar nicht. »Ihre Mutter muss doch eine Kontaktmöglichkeit gehabt haben.«
»Ja, natürlich. Die Handynummer.« Erleichtert atmete sie durch. »Ich habe sie für Mutter notiert. Der Zettel hängt am Kühlschrank.«
In der Küche stand Alois telefonierend am Fenster. Dühnfort sah sich nach der Handynummer um, doch an der Kühlschranktür war sie nicht zu finden. Einige Notizen und Visitenkarten hingen daran, sonst nichts. Elisabeth Dreher nahm einen Magneten in Form einer Tomate ab. »Ich habe den Zettel hierhin gehängt. Mit diesem Magneten. Vorgestern war er noch da.«
»Vielleicht hat Ihre Mutter die Nummer ins Adressbuch geschrieben.«
Sie gingen in den Flur. Dort lag ein Adressbüchlein auf der Kommode. Elenas Name und Telefonnummer standen nicht darin. Dühnfort legte es zurück. »Wie haben Sie Elena gefunden?«
»Über eine Anzeige im Wochenblatt. Sie war anders abgefasst als die meisten, netter und ansprechender. Deshalb habe ich angerufen. Die Handynummer stand in der Anzeige.«
»Wie lange ist das her?«
»Vier Wochen. Vielleicht auch fünf. Die Zeitung habe ich längst weggeworfen. Aber ich würde die Anzeige wiedererkennen.«
Dühnfort wandte sich an Alois. »Fährst du zur Redaktion und besorgst die Ausgaben der letzten Wochen? Und organisiere die Nachbarschaftsbefragung.«
»Geht klar.«
Ihm wäre es lieber gewesen, wenn Kirsten das übernommen hätte. Sie hatte eine erstaunliche Fähigkeit, das Erinnerungsvermögen der Leute zu aktivieren. Doch sie war noch immer nicht da.
»Wie ging es Ihrer Mutter gesundheitlich? War sie krank oder pflegebedürftig?«, fragte er Elisabeth.
»Für ihr Alter war sie erstaunlich fit. Zu hoher Blutdruck. Eine leichte Herzinsuffizienz und Rheuma. Das machte ihr zu schaffen. Damit ging es ihr mal besser, mal schlechter.«
»Deshalb der Rollstuhl?«
»An den schlechten Tagen ging es nicht ohne.«
Gestern war also einer der schlechteren Tage gewesen. »Sie hat sich noch alleine versorgt und war nicht auf Hilfe angewiesen?«
»Was heißt schon Hilfe? Sie war kein Pflegefall. Pflegestufe eins wurde abgelehnt. Aber natürlich habe ich mich um sie gekümmert und den Haushalt organisiert.« Mit einer müden Geste strich Elisabeth eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich glaube, mir wird das langsam zu viel. Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, würde ich gerne gehen. Ich muss die Familie informieren.«
»Natürlich. Ich melde mich, wenn ich noch Fragen habe.« Als die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss fiel, drehte er sich um und blickte aus dem Küchenfenster. Der Himmel war noch immer föhnblau, das Licht von einem flirrenden Leuchten. Außerdem mochte sie Trauben nicht besonders.
Weshalb hatte der Täter seine Tat derart in Szene gesetzt? Ohne dieses dramatisch gestaltete Bild wäre der Mord mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht erkannt worden. Bei alten und gebrechlichen Menschen mit entsprechenden Vorerkrankungen waren Ärzte erschreckend schnell bereit, eine natürliche Todesursache
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