Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Kind. Darüber will ich mit dir reden.«
Eine schale Leere breitete sich in Clara aus. Frau, Kinder, Familie. Er stand mitten in einem pulsierenden neuen Leben, während sie in ihrem Hinterhof so langsam und allmählich vor sich hin vereinsamte und ihre einzigen Ansprechpartner ihr dementer Vater waren und seine polnische Pflegerin. »Über dein Familienglück? Glaubst du wirklich, dass ich dafür die Richtige bin?« Doch sie trat zurück und ließ ihn ein.
Während sie Kaffee kochte, deckte er den Tisch. Der Kragen seines Hemds war abgestoßen, und die schwarze Jeans hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Ihm ging es wie ihr. Er hatte zwar eine Anstellung in einem Zahnlabor gefunden, doch von seinem Verdienst durfte er nur den Pfändungsfreibetrag behalten. Tanja blieb gezwungenermaßen zu Hause. Teilzeitstellen waren ebenso rar wie Krippenplätze. Einen zu ergattern war so wahrscheinlich wie ein Lottogewinn, und Tagesmütter kosteten ein Vermögen. Also blieb Tanja daheim und kümmerte sich um den einjährigen Jonathan und den Haushalt.
Hannes füllte die Semmeln in den Korb. Nachdem er die Höflichkeiten hinter sich gebracht und gefragt hatte, wie es ihr und ihrem Vater ginge und wie er mit der Pflegerin zurechtkam – Franzi hielt ihn offenbar auf dem Laufenden –, wurde es Clara zu viel des Smalltalks. »Das interessiert dich doch nicht wirklich. Du wolltest mit mir über Tanjas Schwangerschaft sprechen. Wenn ich auch nicht verstehe, warum du damit ausgerechnet zu mir kommst.«
Er trank den letzten Schluck Kaffee, stellte die Tasse ab und setzte sein gewinnendes Lächeln auf. »Hauptsächlich wollte ich sehen, wie es dir geht.« Die Hand wanderte zum Ohr. Er zupfte daran. »Was ich dir alles zugemutet habe, tut mir leid. Das wollte ich dir sagen. Auch deine finanzielle Situation. Wenn ich damals geahnt hätte, dass du am Ende für meine Schulden mit aufkommen musst, dann hätte ich darauf bestanden, den Kreditvertrag allein zu unterschreiben.«
Was sollte das jetzt? »Die Zahlen stimmten und die Marktsituation war eine andere.« Sie hatte den Vertrag damals mit unterzeichnet, als Hannes sich mit seinem Zahnlabor selbständig machte. Sonst hätte er das Geld nicht bekommen. Wie hätte sie auch ahnen können, dass die Konkurrenz aus dem Osten begonnen hatte, den deutschen Laboren den Garaus zu machen? Sie hatte auf Hannes und seinen Businessplan vertraut. Und nun waren das Einzige, das sie noch mit ihm verband, seine Schulden. Er zupfte weiter am Ohrläppchen herum. Es machte sie ganz nervös.
»Dieser verfluchte Kredit wird uns noch lange belasten«, sagte er schließlich.
Clara lachte. Es ging um über hunderttausend Euro. Plus Zinsen. »Lebenslang, meinst du wohl?« Denn Privatinsolvenz, mit der sie nach sieben Jahren schuldenfrei wäre, konnte sie als Selbständige im Gegensatz zu ihm nicht anmelden. Und eine Festanstellung bekam sie in ihrem Alter nicht mehr. Es war nicht zu ändern. Sie hatte keine Lust, darüber nachzudenken, geschweige denn zu sprechen. Ihren Kopf hatte sie sich weiß Gott mehr als genug zermartert und nach Auswegen gesucht. Am Ende war der Deal mit der Bank herausgekommen. Sie stotterten die Schulden ab.
Abwartend sah Hannes sie an. »Wir stecken beide finanziell in der Klemme. Allerdings habe ich eine Idee, wie wir das ändern können.« Wieder blitzte dieses verwegene Lächeln auf.
»Planst du einen Banküberfall?«
Plötzlich wirkte er verlegen, dabei hatte sie doch nur einen Scherz gemacht. »Dein Vater hat mir mal von den Münzen erzählt. Er sagte, es wären beinahe dreihundert, und dass keiner von euch das weiß. Franzi hat jedenfalls keine Ahnung davon. Du hast doch sicher inzwischen ins Schließfach geguckt.«
Es stimmte. Sie hatte lediglich fünfzig oder sechzig Stück erwartet, nicht zweihundertachtzig. Doch das ging Hannes nichts an. Also schwieg sie, gespannt darauf, was nun kommen würde.
»Der Goldpreis ist in den letzten Jahren in die Höhe geschossen. Die Krügerrand sind ein Vermögen wert.«
Wollte er etwa die Münzen? »Ja, und?«
»Weißt du, was passiert, wenn Ernst stirbt?«
Darauf würde sie jetzt nicht antworten. Langsam stieg Zorn in ihr auf.
»Du erbst ein Drittel seines Vermögens. Doch du wirst nichts davon haben, denn dein Erbe wird für die Schulden draufgehen. Was bei mir nicht zu holen ist, holt die Bank bei dir. Hast du darüber mal nachgedacht?«
Clara begann zu ahnen, worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte.
»Natürlich nicht.
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