Delete: Thriller (German Edition)
denken Sie, Frau Morani?«, fragte er. »Warum reagiert er nicht?«
»Wie Frau Hinrichsen berichtete, hat er ihr die Pistole gegeben, weil er seine Selbsttötungshemmung nicht überwinden konnte. Es wäre denkbar, dass er will, dass wir in den Bunker eindringen und ihn dann erschießen. Um das zu erreichen, könnte er einen Hinterhalt gelegt haben.«
Eisenberg wandte sich an den Einsatzleiter.
»Haben Sie einen Kameraroboter oder so was?«
»Wir könnten einen anfordern, aber das würde mehrere Stunden dauern. Lassen Sie meine Leute reingehen, Herr Eisenberg. Die sind für solche Fälle trainiert und werden schon mit ihm fertig.«
»Der Mann ist hochgefährlich und möglicherweise schwer bewaffnet.«
»Das sind wir auch.«
»Also gut. Sie haben freie Hand. Aber bitte versuchen Sie, ihn lebend zu überwältigen.«
Der Einsatzleiter gab ein paar Befehle. Einer seiner Leute kletterte hinab und sicherte den Raum am Fuß der Leiter. Zwei weitere folgten ihm. Über das Funkgerät konnte Eisenberg hören, wie sie systematisch den Bunker durchkämmten.
»Raum eins … sicher. Raum zwei … sicher. Raum drei … sicher. Raum vier … O mein Gott! Was zum Teufel … Raum vier sicher.«
Nach kurzer Zeit kam die Meldung, dass auch die übrigen Räume sicher seien.
»Nach Ihnen, Herr Hauptkommissar«, sagte der Einsatzleiter.
Eisenberg kletterte hinab, gefolgt von dem SEK-Leiter und Klausen. Einer der Einsatzkräfte nahm ihn in Empfang. Er hatte sein Schutzvisier hochgeklappt. Sein junges Gesicht wirkte bleich.
»Das sollten Sie sich ansehen, Herr Hauptkommissar!«
Sie folgten ihm ans Ende eines kurzen Ganges zu einem Raum, aus dem süßlicher Gestank drang. Eisenberg zwang sich, den Anblick in sich aufzunehmen, der sich ihm im grellen Licht der Hochleistungsstableuchte bot. Vier Leichen lagen dort, ordentlich nebeneinander aufgereiht und in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Eisenberg erkannte Thomas Gehlert, von dessen Angehörigen er ein Foto erhalten hatte. Bei den übrigen Körpern war die Verwesung schon so weit fortgeschritten, dass die Identifizierung nur noch durch Spezialisten erfolgen konnte.
Er wandte sich ab und betrat den Raum, den Hinrichsen auf dem Plan markiert hatte. Zwei Luftmatratzen und eine Menge Vorräte deuteten an, dass Körner vorgehabt hatte, länger an diesem Ort zu bleiben. In der Mitte des Raums lag ein großer Betonklotz, wie er als Gewicht für Straßenschilder verwendet wurde. Eine Kette war daran befestigt, an deren anderem Ende eine Handschelle hing. Ihr einer Ring war mit der Kette verbunden, der andere leer, aber geschlossen. Klausen bückte sich, um sich zu vergewissern.
»Das gibt’s doch nicht! Wenn diese Handschelle hier um sein Fußgelenk befestigt war, wie zum Teufel ist er dann hier rausgekommen?«
Eisenberg hatte keine Antwort darauf.
60.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Eisenberg.
»Ich bin okay«, antwortete Mina. »Der Arzt sagt, die Wunde wird problemlos verheilen. Da bleibt bloß eine Narbe zurück.«
Sie blickte in die Gesichter der drei Polizisten in dem kleinen Besprechungsraum: Eisenberg, ein junger Typ mit kurzen schwarzen Haaren, der sie kritisch musterte, und die gut aussehende Frau, die schon bei dem ersten Gespräch im LKA dabei gewesen war und Mina aus irgendeinem Grund an die böse Fee aus einem Märchen erinnerte. Ihr Gesichtsausdruck war neutral, ihre Stirn leicht gerunzelt, als hätte sich Mina ungebeten in diese Besprechung eingemischt. Der Dicke, der sich als der Don entpuppt hatte, war dieses Mal nicht dabei, was Mina bedauerte.
Als Eisenberg sie zur Befragung einbestellt hatte, hatte sie sich nichts dabei gedacht. Es war nur natürlich, dass die Polizei alle Details wissen wollte. Zwar hatte Mina auch schon am Mittwoch eine ausführliche Aussage gemacht, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Julius aus dem Bunker entkommen war. Aber dass sich im Nachgang neue Fragen ergaben, war ihr normal erschienen. Jetzt allerdings war sie sich nicht sicher, ob es hier bloß um Detailfragen ging. Sie wusste selbst nicht genau, warum, aber sie fühlte sich unwohl.
Ihre noch immer mit dem Schock der Entführung kämpfende Mutter hatte ihr abgeraten, den Termin wahrzunehmen: »Die können dich doch nicht schon wieder vorladen, so kurz nach diesen schrecklichen Ereignissen! Sag denen einfach, dass du dich noch nicht wohlfühlst. Wenn du willst, rufe ich dort an.«
Mina hatte widersprochen. Sie würde alles tun, damit Julius Körner so schnell wie
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