Delete: Thriller (German Edition)
ergeben, besonders in meinem Spezialgebiet, der Psychopathologie. Es ist ziemlich schwer, auf der Höhe der aktuellen Forschung zu bleiben. Ich bin froh, dass mir mein Job dafür Zeit gibt.«
Eisenberg schwieg.
»Mir ist allerdings durchaus klar, dass es nicht so weitergehen kann«, fuhr sie fort. »Wir haben bisher noch keinen einzigen Täter überführt, geschweige denn eine Straftat verhindert. Polizeidirektor Kayser hat bisher seine schützende Hand über uns gehalten, aber immerhin werden wir von Steuergeldern bezahlt. Deshalb ist es gut, wenn Sie kommen und aus der SEGI eine effektive Einheit formen.«
»Halten Sie das denn für möglich?«
»Natürlich. Möglich ist das. Aber sicher nicht einfach. Unser letzter Leiter hat es gerade mal drei Monate ausgehalten.«
»Ehrlich gesagt kann ich ihm das nicht verdenken, nach dem, was ich bisher erlebt habe.«
»Ja, hier ist echte Führungsqualität gefordert. Wenn Sie die haben, können Sie es schaffen.«
»Das klingt, als wüssten Sie, wie es geht. Warum leiten Sie nicht das Team, oder tun wenigstens etwas dafür, dass die Autorität von Jaap Klausen anerkannt wird?«
Sie sah ihn direkt an.
»Ich bin kein Teil der Lösung. Ich bin ein Teil des Problems.«
Eisenberg wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
»Um es klar zu sagen: Ich habe keine Lust, Ben Varnholt und Sim Wissmann zu therapieren. Und Jaap Klausen kommt ohnehin nicht damit klar, dass ich intelligenter bin als er. Ich bin als Profilerin eingestellt worden, nicht als Psychiaterin.«
»Warum sind Sie dann noch hier? Warum haben Sie nicht längst eine Praxis eröffnet, um Manager von ihren Neurosen zu befreien?«
»Wie ich schon sagte: Weil ich dazu keine Lust habe.«
»Und wozu haben Sie Lust?«
Sie schwieg einen Moment.
»Ich will Psychopathen überführen.«
»Warum ist Ihnen das so wichtig?«
»Weil diese kranken Menschen einen enormen Schaden anrichten. Einen viel größeren, als die meisten glauben. Die Dunkelziffer ist enorm hoch.«
»Klingt beinahe, als hätten Sie persönliche Erfahrungen damit.«
Sie lächelte dünn.
»Versuchen Sie jetzt bitte nicht, mich zu therapieren. Das habe ich bereits hinter mir. Kommen wir lieber zur entscheidenden Frage: Warum sind Sie hier?«
»Herr Kayser hat mich gebeten, mit Ihnen allen zu sprechen und ihm dann zu raten, was er mit der SEGI machen soll.«
»Das meinte ich nicht. Was bringt Sie dazu, ernsthaft darüber nachzudenken, ob Sie diese Aufgabe übernehmen wollen? Einen Karrieresprung haben Sie damit wohl nicht im Auge.«
»Sagen wir, ich suche eine neue berufliche Herausforderung und prüfe verschiedene Optionen. Die Gründe dafür spielen keine Rolle.«
»Dann sind Sie hier genau richtig. Übernehmen Sie die Leitung! Sie haben das Zeug dazu.«
»Warum sollte ich das tun? Jeder hier, außer Ihnen vielleicht, scheint der Meinung zu sein, dass die SEGI keine Zukunft hat. Und Sie sagen doch auch, sie sei eine Karrieresackgasse.«
Morani zog die Stirn kraus.
»Das mag sein. Aber solche Überlegungen interessieren Sie nicht, oder? Wenn Sie ein Karrieretyp wären, dann säßen Sie jetzt nicht hier, sondern würden vor Ihrem Hamburger Chef buckeln. Sie werden von Herausforderungen angezogen. Je schwieriger, desto besser. Außerdem ist es doch eine lohnende Aufgabe.«
»Lohnend? Inwiefern?«
»Sim Wissmann und Ben Varnholt sind außergewöhnlich begabte Menschen, die das LKA dringend braucht. Die Kriminellen hätten jedenfalls keine Probleme damit, solche Talente für ihre Zwecke einzusetzen.«
»Sie glauben, Wissmann und Varnholt wären kriminell, wenn sie nicht für die Polizei arbeiten würden?«
»Das habe ich nicht gemeint. Die beiden sind nicht mit Geld zu kaufen. Aber ähnlich talentierte Leute schon.«
»Ich habe nicht den Eindruck, Benjamin Varnholt ist wirklich bereit, den Kampf gegen das Verbrechen aufzunehmen. Von Sim Wissmann ganz zu schweigen.«
»Sie täuschen sich. Benjamin Varnholt ist ein verletzter Mensch. Er reagiert auf die Ablehnung, die er aus seiner Umgebung erfahren hat, indem er seinerseits andere Menschen ablehnt. Aber im Inneren wünscht er sich nichts mehr als soziale Anerkennung. Glauben Sie, er wäre sonst hier?«
»Mir hat er erzählt, dass er hier ist, weil er sich vor ein paar Kriminellen schützen muss, die ihn bedrohen.«
»Das mag sein. Aber warum bedrohen die ihn? Warum hat er als V-Mann sein Leben riskiert? Warum spielt er in diesem albernen Computerspiel den Samariter? Er möchte gern ein
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