Delete: Thriller (German Edition)
recht. Also schön, wenn es Ihnen Spaß macht. Ich schicke Ihnen die Vernehmungsprotokolle. Der Rest liegt dann bei Ihnen. Aber bitte halten Sie mich auf dem Laufenden, falls Sie etwas herausfinden, das uns entgangen ist.«
»Das mache ich. Danke, Herr Keller.«
»Dafür nicht. Viel Erfolg, Herr Eisenberg.«
Keller hielt Wort und schickte umgehend die Vernehmungsprotokolle. Viel ging daraus nicht hervor. Es gab tatsächlich keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen den vier Fällen, von dem gemeinsamen Onlinespiel abgesehen. Es war immerhin denkbar, dass sich die Verschwundenen dort kennengelernt hatten. Doch das bedeutete noch lange nicht, dass die Fälle miteinander zu tun hatten. Dagegen sprach einerseits der zeitliche Abstand von mehr als einem halben Jahr zwischen dem ersten und dem letzten Fall. Wenn die Vier sich irgendwie im Spiel abgesprochen hätten, von der Bildfläche zu verschwinden, hätte das nahezu gleichzeitig passieren müssen. Außerdem wusste man, wie Varnholt erklärte, in der Regel nicht, welcher Spieler hinter einer Figur steckte. Selbst wenn sich die Vier in World of Wizardry begegnet wären, hätte das kaum Auswirkungen auf ihr Leben außerhalb des Spiels gehabt. Sie hätten nicht einmal gewusst, dass sie in derselben Stadt lebten.
Die einzige weitere Gemeinsamkeit schien zu sein, dass sich die vier Vermissten unmittelbar vor ihrem Verschwinden angeblich »merkwürdig« verhalten hatten. Doch diese Aussage stammte nicht von den Angehörigen der Verschwundenen, sondern von dem Mädchen, das die Fälle miteinander in Verbindung gebracht hatte – derselben Zeugin, die Varnholt im Spiel kennengelernt hatte. Alles sprach dafür, dass sie sich in eine Verschwörungstheorie verrannt hatte.
Hätte Eisenberg irgendetwas Besseres zu tun gehabt, hätte er den Fall nicht weiterverfolgt – es gab viel zu wenig Verdachtsmomente. So jedoch erschien es ihm besser als nichts, auch wenn es wie eine Beschäftigungstherapie wirkte. Selbst wenn nichts dabei herauskam, würde es zumindest sein Verhältnis zu Varnholt verbessern. Tatsächlich schien der dicke Hacker umso mehr aufzutauen, je mehr er spürte, dass Eisenberg ihn ernst nahm. Außerdem ergab sich so die Gelegenheit, Moranis Fähigkeiten in einer Zeugenvernehmung zu testen.
Also bat Eisenberg Klausen, die Zeugin Mina Hinrichsen am nächsten Tag zur Vernehmung ins LKA zu bitten.
Sie war Anfang zwanzig, durchaus hübsch, wenn nicht das Lippenpiercing und die zu stark geschminkten Augen gewesen wären. Eisenberg wurde schmerzhaft bewusst, dass seine Tochter im selben Alter war und er keine Ahnung hatte, wie sie sich schminkte und ob sie inzwischen ebenfalls ein Piercing hatte. Das letzte Mal hatte er sie vor zwei Jahren gesehen, anlässlich des achtzigsten Geburtstags seines Vaters.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Eisenberg. »Ich bin Hauptkommissar Eisenberg. Das hier sind Dr. Morani und Herr Varnholt. Sie kennen Ihn bereits aus World of Wizardry .«
»Ich bin Don«, sagte Varnholt.
Hinrichsen riss die Augen auf. »Du … ich meine, Sie sind Don?«
Varnholt grinste.
»Lass uns bitte beim Du bleiben. Auch wenn ich Bulle bin, kann ich ja trotzdem so tun, als wäre ich ein normaler Mensch.«
Sie nickte verdattert.
»Haben … habt ihr etwas herausgefunden wegen Thomas?«
»Nein, leider nicht«, sagte Eisenberg. »Ich will ehrlich sein, Frau Hinrichsen. Ich glaube nicht an einen Zusammenhang zwischen den Vermisstenfällen.«
»Warum bin ich dann hier?«
»Das haben Sie Ihrem Mitspieler zu verdanken.«
»Mein Chef mag denken, dass es keinen Zusammenhang gibt«, sagte Varnholt. »Aber das heißt nicht, dass er recht hat. Mir scheint es zumindest sinnvoll, die Hintergründe noch etwas genauer zu verstehen. Vielleicht können wir dann wenigstens die Aufregung in der Spielergemeinde etwas dämpfen.«
Hinrichsen zog die Augenbrauen zusammen. »Ich wusste nicht, dass das LKA die Aufgabe hat, Computerspieler zu beruhigen.«
»Nimm es einfach als persönliches Interesse, dass wir der Sache nachgehen«, sagte Varnholt. »Kannst du uns bitte noch einmal sagen, was du über das Verschwinden der vier Spieler weißt?«
Sie erzählte, wie sie ihren Kommilitonen kennengelernt hatte und was während des Spiels geschehen war.
»Was genau meinst du mit ›merkwürdig verhalten‹?«, hakte Varnholt nach.
»Na ja, wir waren mitten in diesem Raid gegen eine überlegene Gruppe. Da kam es wirklich auf jeden Einzelnen an. Und mitten in der Action
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