Delete: Thriller (German Edition)
ein Geräusch, das wie ein Röcheln klang. »Sie lügen!«
Eisenberg war sich der Tatsache bewusst, dass jedes falsche Wort einen Wutanfall oder eine Panikattacke auslösen konnte, mit möglicherweise tödlichem Ausgang.
»Ich habe das Buch gelesen«, sagte er. » Simulacron-3 .«
»Ja, und?«
»Ich verstehe, was Sie wollen. Aber nur mal angenommen, es ist nicht so, wie Sie denken. Stellen Sie sich vor, die Welt, dieses Zimmer hier ist alles, was es gibt. Wir beide bestehen nicht bloß aus Bits und Bytes, sondern unsere Körper sind real, so wie die der fünf Menschen, die Sie umgebracht haben. Dann wären Sie gerade dabei, die einzige Welt, das einzige Leben, das Sie haben, zu zerstören!«
Der Unbekannte lachte heiser.
»Hören Sie auf mit Ihren Psychotricks! Lernt man das als Admin? Wie gehe ich damit um, wenn ein Sim die Illusion durchschaut?«
»Was haben Sie mit den Leichen gemacht?«
»Lenken Sie nicht ab! Entweder, Sie befreien mich jetzt und hier aus meinem Gefängnis, oder Sie sind der Nächste, der verschwindet!«
»Merken Sie nicht, dass es unlogisch ist, was Sie sagen? Wäre ich wirklich ein Admin, könnten Sie mir doch nicht drohen. Ich könnte Sie einfach verschwinden lassen oder eine virtuelle Polizeistreife herzaubern, die Sie festnimmt und ins Irrenhaus steckt. Da ich das nicht tue, bin ich wohl keiner. Aber dann läuft Ihre Drohung ebenfalls ins Leere.«
»Darauf falle ich nicht rein. Mir ist klar, dass Ihnen Ihr Simkörper egal ist. Aber wenn Hauptkommissar Eisenberg spurlos verschwindet, wird das das Experiment empfindlich stören. Es wird eine Menge unbeantworteter Fragen geben. Die Zeitungen werden darüber berichten. Die Leute werden endlich begreifen, was vorgeht. Wollen Sie das?«
Seine Stimme war lauter, eindringlicher geworden, und sie zitterte leicht. Der Fremde stand kurz vor dem Nervenzusammenbruch.
»Was ich will, ist, dass Sie ihre Waffe herunternehmen und wir beide diesen Wahnsinn hier und jetzt beenden.«
»Es reicht, Eisenberg. Sie hatten Ihre Chance. Ich werde …«
Eisenberg stieß die Lampe an, sodass sie im Halbkreis herumschwenkte und den Täter anstrahlte. Das Bild brannte sich in sein Gedächtnis ein: Kapuzensweatshirt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Oberlippenbart, klobige schwarze Brille.
Eisenberg hechtete zur Seite. Ein Schuss krachte. Die Lampe zersplitterte, und es wurde wieder stockdunkel. Eisenberg rappelte sich auf und kroch in die Nische zwischen Schrank und Bett. Der Unbekannte schoss noch einmal. Schritte waren von der Treppe zu hören. Die Tür ging auf, und der Fremde stürzte aus dem Zimmer. Im Treppenhaus schrie jemand auf, doch zum Glück fiel kein weiterer Schuss.
Eisenberg sprang hinter dem Schrank hervor und riss die Tür auf. Seine Vermieterin, Frau Kohl, stand mit schreckgeweiteten Augen da. Die Haustür schloss sich gerade.
Er stürmte an ihr vorbei und aus dem Haus. Sah den Täter fünfzig Meter entfernt die Straße entlangsprinten. Früher hätte er vielleicht eine Chance gehabt, den jungen Mann im Laufen einzuholen, doch diese Zeiten waren vorbei. Außerdem hatte der Täter immer noch seine Waffe.
Er wählte die Nummer der Einsatzbereitschaft aus dem Nummernspeicher. Noch während er Anweisungen gab wusste er, dass selbst eine sofort ausgelöste Großfahndung sinnlos war. Es gab zu viele Möglichkeiten, von hier zu verschwinden.
Frustriert kehrte er in die Pension zurück. Frau Kohl stand noch immer auf der Treppe. »Ich … ich habe einen Knall gehört … War das ein Schuss? Und dann noch einen«, stammelte sie.
Trotz ihrer unfreundlichen Art tat ihm die Frau leid.
»Wie ist der Mann in mein Zimmer gekommen?«
»Ich dachte … er hat gesagt, er sei Ihr Neffe und dass er Sie überraschen wolle. Und da hab ich … Ich wusste doch nicht …«
Sie brach in Tränen aus.
»Schon gut«, sagte Eisenberg. »Ist ja noch mal gut gegangen.« Er nahm sie am Arm und führte sie in ihre Wohnung. »Können Sie den Täter beschreiben?«
»Haben Sie ihn denn nicht gesehen?«
»Doch, natürlich. Aber das Gedächtnis kann einem Streiche spielen. Es ist besser, wenn wir beide unabhängig voneinander eine Täterbeschreibung machen. Aber das hat Zeit bis morgen. Jetzt machen Sie sich erst mal einen Tee zur Beruhigung.«
»Vielen Dank, Herr Kommissar.«
Er blieb bei ihr, bis die Spurensicherung eintraf, und mit ihr Polizeidirektor Kayser höchstpersönlich.
»Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Herr Eisenberg«, sagte er. »Ich
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