Delfinarium: Roman (German Edition)
Schnellrestaurant, was absurd war. Die Lautstärke, das Kommen und Gehen der Wagen, der Menschen, die vielen Abgase. Und trotzdem blieb ich dort im Sand knien und besah mir alles, bis es finster geworden war. Später konnte ich nicht schlafen, weil es ungewohnt war. Das Rauschen die ganze Nacht, das einsame Rauschen, stiller als jeder andere Lärm. Und am nächsten Tag standen wir in einem endlosen Stau die Hügel hinauf und hinunter, ich weiß nicht mehr, ob es irgendein Ferienanfang war, jedenfalls ging es buchstäblich keinen Meter vor oder zurück. Die Blechkarawane stand, und irgendwann stiegen die Leute einfach aus ihren Autos aus, und ein paar Meter vor uns war ein Eiswagen im Stau stecken geblieben. Es war ein spontanes Fest auf der Autobahn, die Leute lachten und löffelten das schon geschmolzene Eis aus ihren Bechern, setzten sich an den Seitenstreifen, kamen ins Gespräch miteinander, die Sonne knallte von oben grelles Licht auf alles. Und eigentlich hätte ich quengeln mögen und doch begriff ich irgendwie, dass das eine besondere Situation war, ein reicher Moment, der so nicht wiederkommen sollte. Papa stieg aus und kaufte Eis für uns drei, das Eis war richtig flüssig, und die beiden lächelten sich an, in einem fort beim Löffeln, und ich wusste schon damals, dass es ein glücklicher Tag war.
Dieses Hotel heißt Mister Motel und es besitzt eine weiß getünchte Fassade mit schwarzen Fenstern und wehenden Vorhängen und hellblauen und rosafarbenen Neonbuchstaben auf dem Dach.
Ich sage: »Wir möchten gerne ein Doppelzimmer für eine Nacht, bitte.«
Die Dame schaut abwechselnd Susann und mir ins Gesicht. Ich stehe dichter am Tresen, Susann steht einen Schritt hinter mir, die Hände vor dem Schoß gefaltet. Ich kann die Gedanken im Kopf der Frau rattern hören, sie hat rotblonde, am Kopf festgesteckte Locken. Sie lässt mich ein Formular ausfüllen, ich schaue sie scharf an, dann trage ich meinen Namen und eine Adresse ein. Ich schreibe: Martin Daniel. Ich unterschreibe mit zitternden Fingern.
»Ich brauche einen Ausweis«, sagt sie ohne ein Lächeln.
Ich lege meinen Personalausweis vor sie hin und merke, dass ich rot werde, knallrot, meine Wangen fühlen sich heiß an wie Eis mit Himbeeren. Sie schaut in den Ausweis, sie schaut auf das Formular. Daniel Martin, Martin Daniel. Sie sagt nichts.
»Achtzig Euro«, sagt sie.
Ich lege das Geld auf meinen Perso. Ich komme mir auffällig vor. Ich frage mich, ob man sich das Zimmer zeigen lassen muss, um kein schlechtes abzubekommen. Ich frage mich, ob man das macht, ich glaube, ich habe so etwas im Fernsehen gesehen. Und später legt man Kleingeld in den Aschenbecher als Trinkgeld für das Zimmermädchen.
Das Zimmer ist klein, auf dem Boden liegt Teppich mit roten, weißen und schwarzen Ornamenten. Neben dem Bett steht ein weißer Schrank. Auf dem Bett liegt eine grüne Cordtagesdecke. Über dem Bett hängt ein Bild von einem Kranich. Links und rechts stehen zwei Nachtschränkchen. Die Wände des Zimmers sind beige. Vor dem Fenster steht ein schwarzer Schreibtisch, die Vorhänge sind grün wie die Tagesdecke. Ich stelle die Tasche ab und schaue aus dem Fenster. Man guckt nicht auf die Autobahn. Das hätte ich schön gefunden. Susann und ich hätten vor dem Fenster gesessen, die Ellenbogen auf der Fensterbank abgestützt, die Köpfe gegeneinandergelehnt. Und wir hätten den Autos zugeschaut beim Vorbeisausen, wie Zen, wie Meditation, einschläfernd, beruhigend, das Rauschen der Wagen, die nächtliche Autobahn, Alphawellen im Gehirn. Oder wir hätten Autos einer bestimmten Farbe gezählt, Blaumetallic zum Beispiel, die sieht man kaum noch. Aber man kann das Fenster nicht öffnen. Das Fenster geht hinaus auf einen Parkplatz, nicht auf den, auf dem unser Wagen geparkt ist. Es ist ein Bedienstetenparkplatz, am Eingang ist eine Schranke und es sind nur wenige Autos darauf geparkt.
Es ist ein großes Bett für zwei Personen, keins mit einer Ritze in der Mitte oder so, keine zwei Betten, die zusammengeschoben sind.
Susann ist im Bad, um sich umzuziehen. Ich habe ihr ein weißes Nachthemd mit Spitze in die Tasche gelegt. Ich höre den Wasserhahn rauschen und möchte diesen Moment anhalten, möchte meine heimliche Fernbedienung aus der Tasche klauben und die Pausetaste drücken, um es in Ruhe zu genießen. Susann im Bad, um sich für die Nacht fertig zu machen, und ich im Bett, auf sie wartend, wie ein richtiges Paar, wie ganz normale Leute.
Dann kriecht
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