Delhi Love Story
Rohit Behl. Er ist SEXY. Er hätte dir gefallen. Willst du Nagellack?«
Ungläubig sehe ich, wie sie ein kleines rosa Fläschchen aus ihrer Tasche holt und aufschraubt. »Nein danke«, lehne ich ab, als sie es mir entgegenstreckt. »Ich stehe nicht so auf Nagellack.«
»Echt?« Sie streckt einen ihrer makellosen Finger aus und betrachtet den Nagel. »Mit wem bist du zusammen? «
Fast antworte ich, dass ich keinen Freund habe, aber dann fürchte ich, so etwas kann sie sich nicht vorstellen. »Andy Jensen«, antworte ich und wähle den Namen von Jess’ und Jaimes neunjährigem Bruder. »Er lebt in Amerika. «
»Klingt ja süß. Aber jetzt bist du doch hier!«
»Ja, das Leben geht weiter.«
»Das sage ich auch immer! Also, wer könnte jetzt dein Freund werden? Keds?«
»Wie bitte?«
»Du hast ja recht, lass dir lieber Zeit. Und außerdem ist Keds –« Sie hält inne und sieht ihren Ringfinger an. »Mist, den muss ich neu lackieren.«
»Keds ist …?«
»Hmm? Hey, probier doch mal diesen Nagellack, deine Nägel sehen so trist aus. Hübsch, aber LANGWEILIG.«
»Aber du wolltest doch eigentlich etwas über Keds erzählen –«
»Etwas Nagellack?«
Ich nehme das Fläschchen und streiche mit dem Pinsel über meinen Nagel. »Du wolltest sagen –«
»Ähem.«
Wir schrecken auf. Mit verschränkten Armen steht Nangia in der Tür und runzelt die Stirn. »Wenn die Damen mit ihrem Schönheitssalon fertig sind …«
Schon ist Richa verschwunden, und ich stehe dem Direktor gegenüber, ein Fläschchen Nagellack in der Hand.
In der Mittagspause gehen alle ins Freie. Nach zwei Stunden Physikunterricht im brütend heißen Klassenzimmer – nur unterbrochen von einem kurzen Überraschungsquiz zum Schulanfang – schwirrt mir der Kopf. Ich stolpere hinaus in die Mittagssonne und gehe auf den Schulhof zwischen den Basketballplätzen und dem Fußballplatz hinter der Schule. Heiß und voll ist es hier, die dünnen Äste über uns spenden kaum Schatten. Ein Eiswagen, ein Getränkeautomat und leere blaue Getränkekästen stehen herum. Überall sind Leute, so weit das Auge reicht.
Mit halbem Ohr höre ich den Horrorgeschichten aus dem Urlaub zu und kämpfe gegen das Bedürfnis an, mich erschöpft auf die heiße Ziegelmauer zu legen. Das flirrende Licht und die Menschenmassen verstärken meine Kopfschmerzen. Hier ist es schlimmer als im Klassenzimmer,
denke ich, als ein kräftiger Junge an uns vorbeispringt und mir dabei fast seinen Schuh ins Gesicht schlägt.
»Hey, Neue.«
Ich drehe mich zu der Stimme um und sehe, dass Bobs zu uns gestoßen ist. »Ich habe gehört, du hattest ein interessantes Gespräch mit Nangia?«
»Oh Mann, es war schrecklich!«, kreischt Richa. »Aber Ani war COOL.«
»Sie ist eben aus AMERIKA«, ahmt Nikki sie nach.
»Wirklich?« Bobs sieht zu mir herunter; seine Augen funkeln spöttisch. »Dann erzähl uns doch mal von dir, Miss COOL.«
Ich sage, es gäbe nicht viel zu erzählen.
»Tatsächlich? Bei einem COOLEN Mädchen wie dir?«
»Ich bin gar nicht so cool.«
»Würdest du sagen, du bist SEXY?«
Ich blicke ihn unbeeindruckt an, spüre aber, wie ich unsicher werde. »Was willst du wissen?«, frage ich ihn.
»Bist du noch Jungfrau?«
»Halt’s Maul, Bobs«, sagt Keds.
»Er macht doch nur Spaß«, wirft Richa ein. »Hör auf, sie zu ärgern, Bobs.«
»Wieso denn? Sie ist aus Amerika, sie kommt damit klar.«
Er hat recht, denke ich. Früher war das so einfach. Mit Jungs wie ihm konnte ich ganz locker umgehen.
»Sing uns einfach ein Lied vor«, sagt Nikki. »Bring es hinter dich.«
»Was soll ich hinter mich bringen?«, frage ich.
»Du bist neu hier, du musst für uns singen. So ist es Tradition.«
»Tut mir leid, aber ich singe nicht.«
»Dann tanze.«
»Ich tanze auch nicht.«
»Jeder kann tanzen.«
»Nicht jeder leitet die Tanzgruppe, Nikki«, sagt Keds. »Sie schon«, erklärt er mir.
»Also: Du antwortest nicht, du singst nicht, du tanzt nicht«, grinst Bobs. »Kannst du überhaupt etwas, Miss Amerika?«
»Sie kann Basketball spielen«, höre ich Keds sagen.
»Keds –«
»Basketball?«, staunt Bobs. »Wie groß bist du denn? Einen Meter zehn?«
»Sie ist eins fünfundfünfzig groß«, sagt Keds, »und sie spielt ziemlich gut.«
»Keds, bitte nicht –«
Aber Somes klappt schon seinen Geldbeutel auf. »Ich wette zehn Rupien, dass Ani gegen Bobs gewinnt«, verkündet er.
»Somes –«
»Zwanzig dagegen.«
»Dreißig darauf, dass sie drei Körbe hintereinander
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